Mehr Straftaten durch Polizei als durch Beschuldigten
Im Erfurter Tatort vom 21. Dezember 2014 wird ein längst abgeschlossen geglaubter Fall wieder aktuell. Der wegen Totschlags und Menschenhandel zu elf Jahren Haft verurteilte einstige Rotlichtkönig Timo Lemke (Werner Daehn) kann sich während der Beerdigung seines Vaters, an der er unter Aufsicht teilnehmen durfte, gewaltsam befreien. Dabei sterben zwei Polizisten.
Lemke hatte bei dieser Aktion einen Komplizen, der sich als Friedhofsgärtner tarnte. Zweifellos liegt für diesen eine Strafbarkeit gem. § 120 StGB wegen Gefangenenbefreiung vor. Demnach wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer einen Gefangenen befreit, ihn zum Entweichen verleitet oder dabei fördert.
Die Flucht Lemkes ruft die Ermittler von damals, Petra Fritzenberger (Kirsten Block) und Volker Römhild (Christian Redl) auf den Plan. Beide sind inzwischen Kriminaldirektoren. Sie lieferten vor Jahren die Ermittlungsergebnisse für Lemkes Verurteilung. Nun stehen beide unter Druck, denn Lemke ist bewaffnet und sehr gefährlich. Tatsächlich wird die Kriminaldirektorin Fritzenberger kurze Zeit später entführt. Als Lemke mit vorgehaltener Pistole dann auch bei Römhild zu Hause erscheint, ist der Polizist schneller. Lemke wird erschossen, die einzige Spur zur vermissten Direktorin ist damit zerstört. Römhild stellt sein Handeln als Notwehr dar.
Glücklicherweise findet sich die Spur wieder, als ein weiterer ehemaliger Kollege von Fritzenberger und Römhild auftaucht und die Sache noch komplizierter macht. Jener Ingo Konzack (Oliver Stokowski) wiederum wurde im Zuge der damaligen Ermittlungen gegen Lemke verdächtigt, Schmiergeld angenommen zu haben.
Daraufhin hatte man ihn völlig aus der Bahn geworfen, er verlor seinen Job als Polizeibeamter und seine Familie. Aus diesem Grunde ist er es, der nun Fritzenberger entführt hat. Um endlich Klarheit darüber zu bekommen, wer ihn damals falsch verdächtigt hatte, verlangt er von Fritzenberger unter Androhung ihres Todes ein Geständnis. Damit hat er sich wohl gem. § 239b StGB wegen Geiselnahme strafbar gemacht, in jedem Falle aber wegen Freiheitsberaubung gem. § 239 StGB und Nötigung gem. § 240 StGB.
Währenddessen verlieren die Kommissare die Geduld und begehen selbst Straftaten. Die Vernehmungsmethoden werden rauer. Kommissar Schaffert (Benjamin Kramme) schlägt den Kopf von Lemkes Komplizen während des Verhörs mit voller Wucht auf den Tisch. Auch droht man dem Komplizen an, ihn in die JVA Gera zu überführen, wo sich dann die Mitglieder einer Motorradgang „um ihn kümmern werden“. Damit bekommt man den Mann tatsächlich zum Reden. Jedoch liegen hier auf Seiten der Polizisten auch eine Körperverletzung im Amt gem. § 340 StGB sowie eine Nötigung vor.
In seiner Ermittlungswut schießt Kommissar Funck (Friedrich Mücke) letztlich noch auf Kriminaldirektor Römhild. In der konkreten Situation könnte man allerdings sagen: „zu Recht“. Denn Römhild war gerade dabei, seine ehemaligen Teamkollegen zu töten, nachdem er ihnen offenbart hatte, der korrupte Beamte zu sein, der damals von Lemke 200.000 € annahm.
Bei dieser Vielzahl von Straftaten kann man bezüglich der Täterkreise leicht durcheinander geraten. Es scheint so, als stünden manche Polizisten im Tatort den bereits verurteilten Straftätern in nichts nach.