Messerstiche als Notwehr?
Die Notwehr ist wohl eines der spannendsten Themen aus dem Allgemeinen Teil des Strafrechts und begegnet einem auch häufig in der Klausur. Doch was versteht man eigentlich unter Notwehr und wann liegt diese vor?
Die Notwehr ist im § 32 Strafgesetzbuch (StGB) geregelt und stellt einen Rechtfertigungsgrund dar. Wenn die Voraussetzungen des § 32 StGB gegeben sind, erwartet den Täter keine Strafe.
Damit Notwehr anzunehmen ist, muss zum einen eine Notwehrlage vorliegen und zum anderen eine Notwehrhandlung gegeben sein, bei der es häufig in der Erforderlichkeit zu Problemen kommt. Diese kann dann bejaht werden, wenn die Verteidigungshandlung geeignet ist und das relativ mildeste Mittel darstellt. Dabei sind ex-ante das Mittel der Verteidigung mit der Gefährlichkeit des Angriffs zu vergleichen und zu beurteilen, ob dieses erforderlich war.
In seinem Beschluss vom 23. September 2021 musste sich der Bundesgerichtshof (1 StR 321/21) mit der Frage beschäftigen, wann ein Abwehrmittel noch erforderlich ist.
Im hiesigen Sachverhalt kam es zwischen Angeklagtem und Tatopfer zu einer Auseinandersetzung in einer Gaststätte, bei der sie aufeinander einschlugen und anschließend zu Boden gingen. Nachdem das Tatopfer den Angeklagten am Boden fixierte, holte der Angeklagte einen spitzen Gegenstand, vermutlich ein Messer, heraus und stach zwei Mal in den Oberkörper des Tatopfers.
Das Landgericht Stuttgart verurteilte ihn dafür wegen gefährlicher Körperverletzung und prüfte eine mögliche Notwehrlage nicht.
Nach Auffassung des Bundesgerichtshofes muss jedoch auf diese eingegangen werden. In seiner Urteilsbegründung führt dieser an, dass die Person, die rechtswidrig angegriffen wird, grundsätzlich dazu berechtigt ist, das Abwehrmittel zu wählen, welches die Gefahr endgültig beseitigt. Ein milderes Mittel kommt nur dann in Frage, wenn der Angegriffene genug Zeit zum Abschätzen hatte, dass ein milderes Mittel die Gefahr auch beseitigen würde. Somit kann auch der Einsatz eines Messers durch die Notwehr gemäß § 32 StGB gerechtfertigt sein.
Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Fachanwalt für Strafrecht aus Berlin-Kreuzberg