Mord bei Raubüberfall: Anwendung von Jugendstrafrecht auf den 20-jährigen Angeklagten?
Im Jugendgerichtsgesetz (JGG) wird dem Umstand Beachtung geschenkt, dass Jugendliche sich noch in einer Phase befinden, in der Grenzen ausgetestet werden und besondere Bedürfnisse bei der Entscheidung über die Konsequenzen von Straftaten berücksichtigt werden müssen. Gemäß § 1 Abs. 1 JGG gilt das Gesetz, wenn ein Jugendlicher oder ein Heranwachsender eine Verfehlung begeht, die in den allgemeinen Vorschriften mit Strafe bedroht ist. Ein Jugendlicher, der zur Tatzeit 14-17 Jahre alt war, wird immer nach dem JGG behandelt. Heranwachsende zwischen 18 und 20 Jahren dagegen nur unter bestimmten Bedingungen.
Ob der heranwachsende Angeklagte im Sinne des Gesetzes als Jugendlicher oder Erwachsener behandelt wird, hat der Bundesgerichtshof (5 StR 285/22) in seinem Urteil vom 2. Februar 2023 entschieden. Der Angeklagte beschloss mit weiteren Personen, aus der Wohnung des 77 Jahre alten Geschädigten Wertgegenstände und Bargeld zu klauen. Am Tattag klingelten sie beim Geschädigten und einer der Angeklagten verpasste diesem beim Aufmachen einen Schlag ins Gesicht. Als er um Hilfe schrie, knebelten sie ihn. Trotzdem verriet der Geschädigte den Angeklagten nicht das Versteck von Bargeld oder Wertgegenständen, sodass sie ihn anschließend mit einem Kissen erstickten.
Das Landgericht Berlin wertete das Geschehen als Mord gemäß § 211 StGB und wandte auf den 20-jährigen Heranwachsenden Jugendstrafrecht an. Die Revision der Staatsanwaltschaft, die auf die Anwendung von Jugendstrafrecht gerichtet war, hatte keinen Erfolg.
Der Bundesgerichtshof entgegnete der Revision, dass die Frage, ob der Heranwachsende bei der Tat in seiner geistigen und sittlichen Entwicklung einem Jugendlichen gleich stand, eine Tatfrage ist, bei der dem Jugendrichter ein erheblicher Beurteilungsspielraum zur Verfügung steht. Die hier genannten Gründe, wie eine abgebrochene Schul- oder Berufsausbildung oder das Fehlen einer kontinuierlichen Erwerbstätigkeit können Anhaltspunkte dafür sein. Auch das starke Abhängigkeitsverhältnis zur (Groß-)Familie des Angeklagten spricht dafür. Daher hat die Revision der Staatsanwaltschaft keinen Erfolg.
Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Strafverteidiger aus Berlin-Kreuzberg