Mord – Verdeckungsabsicht bei Verdeckung einer Ordnungswidrigkeit
Nicht selten hat eine Autofahrt bei vorangegangenem Genuss von Alkohol die Verwirklichung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten, welche über Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316 StGB oder das Überschreiten der 0,5 Promille Grenze gemäß § 24a Abs. 1 StVG hinausgehen, zur Folge. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Täter versucht einen Unfall durch die Begehung weiterer Taten zu verdecken. Begeht ein Täter zum Zweck der Verdeckung von vorangegangenen Straßenverkehrsdelikten einen Totschlag, gemäß § 212 StGB, so hat dies schnell zur Folge, dass dieser wegen Verdeckungsabsicht zu einem Mord gemäß § 211 StGB qualifiziert wird.
In einer entsprechenden Situation befand sich der Angeklagten in dem, dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 29. Januar 2020 (4 StR 564/19) zugrunde liegenden Sachverhalt, nach dem Besuch eines Weinfests.
Der Angeklagte fuhr nach dem Verlassen des Weinfests infolge von Unaufmerksamkeit seinen angetrunken auf der Straße liegenden langjährigen Freund an. Obwohl der Angeklagte erkannte, dass er einen Menschen angefahren hatte fuhr er erneut an und schob den Angefahrenen mit der Front seines Fahrzeugs langsam ca. 20 Meter weit bis an den Rand der Gegenfahrbahn. Durch den Schiebevorgang erlitt dieser schwerste Verletzungen. Als der Angeklagte erkannte, wen er angefahren hatte setzte er sein Fahrzeug zurück und entfernte sich, um sein vorangegangenes Tun zu verschleiern, vom Unfallort ohne sich um den Angefahrenen zu kümmern. Hierbei sah der Angeklagte dessen Tod als möglich voraus. Der Angefahrene wurde jedoch später von anderen Verkehrsteilnehmern gefunden und überlebte.
Als Motivation für das Verlassen der Unfallstelle gab der Angeklagte an, er habe unter Schock gestanden und schnell nach Hause gewollt, weil er getrunken hatte.
Zugunsten des Angeklagten wirkte es sich hierbei jedoch aus, dass sich aus den Urteilsfeststellungen des Landgerichts, welches den Angeklagten wegen versuchten Mordes mit Verdeckungsabsicht verurteilte, nicht entnehmen ließ, dass die Trunkenheit des Angeklagten den strafrechtlich relevanten Bereich erreicht hatte oder dass dieser dies annahm. Insbesondere wurden eine Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316 StGB oder eine Straßengefährdung durch Trunkenheit gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 1a StGB nicht belegt.
Dies veranlasste den Bundesgerichtshof dazu die Entscheidung des Landgerichts aufzuheben.
Als Begründung führte der Bundesgerichtshof an, dass das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht voraussetzt, dass der Täter die Tötungshandlung vornimmt oder die ihm zur Abwendung des Todeseintritts gebotene Handlung unterlässt, um dadurch eine andere Straftat zu verdecken. Hierfür reicht der Wille zur Verdeckung einer Ordnungswidrigkeit nicht.
Diese Entscheidung reiht sich in eine langjährig bestehende Rechtsprechungspraxis des Bundesgerichtshofs ein (vgl. BGH Urt. v. 3.8.1978 – 4 StR 397/78), nach welcher die Absicht zur Verdeckung von Ordnungswidrigkeiten nicht genügt um eine Verdeckungsabsicht bezüglich § 211 StGB zu begründen. Besonders relevant wird das, wie im vorliegenden Fall, bei Trunkenheit im Verkehr und anschließender Tötung zur Verdeckung der Trunkenheit. Häufig ist nachträglich nicht mehr sicher feststellbar, ob sich die Trunkenheit des Täters im strafrechtlich relevanten Bereich bewegte. Für diesen macht die Annahme einer Ordnungswidrigkeit jedoch den Unterschied zwischen einer lebenslangen gem. § 211 Abs. 1 StGB oder einer fünfjährigen Mindestfreiheitsstrafe gemäß § 212 Abs. 1 StGB aus.
Rechtsanwalt Dietrich, Fachanwalt für Strafrecht Berlin