Neues aus der Wissenschaft – Einheit der Prozessrechtswissenschaft?
Tagungsbände dienen meist – Hand auf’s Herz – der Verlängerung der Publikationsliste der Autoren und Herausgeber. Eine schöne Ausnahme von diesem Grundsatz stellt aus meiner Sicht der Band „Einheit der Prozessrechtswissenschaft? – Tagung Junger Prozessrechtswissenschaftler 2015“ dar, der soeben bei Boorberg erschienen ist. Versammelt sind 30 Beiträge aus dem Straf-, Zivil- und Verwaltungsprozessrecht, wobei die Herausgeber genau diese Trennung eigentlich überwinden wollen. Sagen wir also: 30 Beiträge aus dem Prozessrecht.
Während ich mir gemerkt hatte, dass sich die Gemeinsamkeiten der Prozessordnungen im Wesentlichen auf die Zustellungsvorschriften beschränken, arbeiten die Autoren einiges mehr heraus. Und das geschieht so sympathisch, dass man traurig ist, nicht selbst dabeigewesen zu sein beim Treffen junger Prozessrechtswissenschaftler 2015. Indes muss man nicht verzagen: Die Veranstalter haben schon jetzt einen Tradition begründet, denn das zweite Treffen findet am 30. September und 01. Oktober 2016 in Hamburg statt.
Von den zahlreichen Beiträgen mit strafrechtlichem Bezug möchte ich an dieser Stelle jenen von Linda-Sue Blazko hervorheben („Straftheoretisch fundiert (Medien-)Öffentlichkeit“, S. 25-38), die knapp, präzise und gut lesbar diskutiert, ob man den in § 169 GVG verankerten Öffentlichkeitsgrundsatz reformieren sollte. Aus ihrer Sicht sind die althergebrachten Strafzwecktheorien ohnehin nicht geeignet, den Grundsatz der Öffentlichkeit zu erklären, weil dieser dann entweder komplett abgeschafft werden (Spezialpräventive Ansätze) oder ohne Einschränkung gelten müsste (generalpräventive Ansätze).
Zeitgenössische Strafzwecktheorien wie die retributive und kommunikationsorientierten Straftheorien hingegen sähen die Aufgabe des Strafrechts darin, das Rechts durch eine kommunikative Vermittlung der Strafe wiederherzustellen. Dies könne in heutiger Zeit aber nur durch (Massen-) und wohl auch soziale Medien (S. 38) geschehen. In der Konsequenz plädiert Blazko u.a. für Videoaufnahmen der Anklageverlesung und Urteilsverkündung sowie die verpflichtende Übertragung der Verhandlung in einen weiteren Saal, sollten die Plätze für Medienvertreter nicht ausreichen. Das Interesse des Angeklagten am Schutz seiner Persönlichkeitsrechte könne dabei dadurch gewahrt werden, dass er in den Aufnahmen nicht gezeigt werde. Schließlich seien Aufnahmen von Personen generell nicht erforderlich, um den o.g. Strafzweck zu transportieren.