Notwendige Verteidigung bei einer Wiedererkennung des Täters auf Facebook
Immer wieder werde ich von Mandanten gefragt, ob es im Strafrecht die Möglichkeit einer Prozesskostenhilfe gibt. Bei meiner Antwort blicke ich dann häufig in enttäuschte Gesichter. Das Strafrecht kennt keine Prozesskostenhilfe. Im Strafrecht gibt es lediglich das Rechtsinstitut der notwendigen Verteidigung, das in § 140 StPO geregelt ist. Liegt ein Fall der notwendigen Verteidigung vor, so bestellt das Gericht dem Angeklagten einen Pflichtverteidiger, dessen Kosten zwar zunächst von der jeweiligen Landeskasse getragen werden. Wird der Angeklagte allerdings verurteilt, so muss er die durch das Gerichtsverfahren entstandenen Kosten, also auch die des Pflichtverteidigers, erstatten. Im Ergebnis heißt dies oft, dass Beschuldigte die Kosten eines Strafverfahrens tragen muss.
Die Fälle der notwendigen Verteidigung, in denen ein Pflichtverteidiger beigeordnet wird, sind eng umgrenzt. Neben den explizit erwähnten Fällen der notwendigen Verteidigung in § 140 Abs. 1 StPO, wie etwa dem Vollzug der Untersuchungshaft oder dem Vorwurf eines Verbrechens, muss dem Angeklagten auch bei schwieriger Sach- und Rechtslage im Sinne des § 140 Abs. 2 StPO ein Verteidiger bestellt werden.
Eine schwierige Sachlage besteht nach der Rechtsprechung, wenn etwa in einem länger andauernden Verfahren zahlreiche Zeugen zu vernehmen sind oder widersprüchliche Angaben zentraler Belastungszeugen vorliegen. Darüber hinaus liegt nach einer aktuellen Entscheidung des Landgerichts Magdeburg (25 Qs 767 Js 8294/18) eine schwierige Sachlage auch bei einer Wiedererkennung des vermeintlichen Täters durch Zeugen auf der Internetplattform Facebook vor
Hintergrund der Entscheidung war, dass der Geschädigte einer Körperverletzung der Meinung war, den vermeintlichen Täter auf der Facebook-Seite eines Freundes wiedererkannt zu haben. Erst danach erstellte die Polizei eine Wahllichtbildvorlage, die sie dem Geschädigten vorlegte. Der Geschädigte meinte erneut, den Beschuldigten als Täter wiedererkannt zu haben.
Der Verteidiger des Angeklagten beantragte aufgrund dieses Sachverhaltes, ihn als Pflichtverteidiger beizuordnen, da eine schwierige Sachlage vorliege. Das Amtsgericht lehnte diesen Antrag ab. Auf die Beschwerde des Verteidigers entschied das Landgericht schließlich zugunsten des Angeklagten. Das Landgericht sah die Sachlage nach der vorherigen Wiedererkennung als schwierig an, weil die durchaus die Gefahr bestehe, dass der Geschädigte nicht den tatsächlichen Täter, sondern lediglich die Person auf der Facebook-Seite wiedererkannt habe. Um dieser Fehlerquelle entgegenzutreten und eine effektive Verteidigung zu gewährleisten, musste dem Beschuldigten ein Pflichtverteidiger bestellt werden.
Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Strafverteidiger aus Berlin-Kreuzberg
Eine Antwort
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