NSU-Reihe: Das Zeugnisverweigerungsrecht aus persönlichen Gründen
Es war der 76. Verhandlungstag im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München. Susanne E. sollte vor dem Gericht eine Aussage machen, die sie jedoch verweigerte. Gute Gründe dafür hat sie, und zwar gleich zwei. Zum einen wird gegen sie in einem Nebenverfahren wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung ermittelt. Sie ist also als Beschuldigte einzustufen und hat daher das Recht, die Aussage zu verweigern. Zum anderen, und darauf konzentriert sich dieser Beitrag, ist sie als Ehefrau des Mitangeklagten Andre E. dazu berechtigt von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch zu machen. Doch warum sieht unsere Strafprozessordnung (StPO) ein solches Recht aus persönlichen Gründen vor, wo ist es geregelt und was ist eigentlich genau damit gemeint? Wir geben Ihnen einen kurzen Überblick.
Was ist ein Zeugnisverweigerungsrecht und wer kann davon Gebrauch machen?
Die StPO sieht trotz der grundsätzlich bestehenden Aussagepflicht des Zeugen eine Reihe von Zeugnisverweigerungsrechten vor. Wird von einem solchen Gebrauch gemacht, so darf die Aussage komplett verweigert werden. Der Grund dafür ist, dass Zeugen in bestimmten Situationen eine Aussage erspart werden soll, um sie vor unzumutbaren Gewissenskonflikten zu schützen oder auch rechtliche Konflikte zu vermeiden. Geregelt sind die Zeugnisverweigerungsrechte in den §§ 52, 53, 53a und § 54 der StPO. Von ihnen Gebrauch machen können dem Angeklagten nahe stehende Personen, Berufsgeheimnisträger und zur Verschwiegenheit verpflichtete Personen, wie beispielsweise der Bundespräsident (bei diesen Fallgruppen spricht man von einem Zeugnisverweigerungsrecht aus persönlichen Gründen). Abzugrenzen von dem Zeugnisverweigerungsrecht ist das Auskunftsverweigerungsrecht, das den Zeugen dazu berechtigt Antworten auf bestimmte Fragen, nicht jedoch die Aussage an sich zu verweigern.
Wo ist das Zeugnisverweigerungsrecht für Ehegatten geregelt und aus welchen Gründen sieht die StPO ein solches vor?
Das Zeugnisverweigerungsrecht für Ehegatten, wie Susanne E., ist in § 52 Abs. 1 Nr. 2 StPO geregelt. Neben Ehegatten dürfen auch Verlobte, Lebenspartner und Verwandte oder Verschwägerte des Beschuldigten die Aussage verweigern. Mit der Regelung des § 52 StPO soll der besonderen Situation dieser Personen Rechnung getragen werden, aufgrund der bestehenden Auskunftspflicht der Zwangslage ausgesetzt zu sein, einen Angehörigen zu belasten oder die Unwahrheit sagen zu müssen. Um also den Zeugen nicht zu einer Aussage gegen einen Angehörigen zu zwingen, tritt in diesen Fällen das öffentliche Interesse an der Aufklärung von Straftaten aufgrund der persönlichen Belastung für den Zeugen zurück. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Betroffene sich selbst tatsächlich in dieser Zwangslage sieht.
Maßgeblich für das Weigerungsrecht ist, dass das Angehörigkeitsverhältnis zum Zeitpunkt der Vernehmung besteht, die Tatzeit spielt hingegen keine Rolle. Im Fall der Ehe, sowie auch bei der Lebenspartnerschaft und dem Angehörigkeitsverhältnis, kann das Zeugnis auch verweigert werden, wenn diese nicht mehr besteht, also beispielsweise die Ehe geschieden wurde. Entsteht das Angehörigkeitsverhältnis erst nach der Vernehmung, so kann die frühere Aussage eines Zeugen unverwertbar werden, wenn dieser in derselben Sache noch einmal vernommen wird und sich dabei auf sein Zeugnisverweigerungsrecht beruft.
Was bedeutet es die Aussage zu verweigern?
Wie schon der Begriff des Zeugnisverweigerungsrechts nahe legt kann der Zeuge nur das „Zeugnis“, also Angaben zur Sache verweigern. Angaben zur Person hingegen müssen grundsätzlich gemacht werden. Ob ein Zeuge von seinem Recht die Aussage zu verweigern Gebrauch macht, ist seine persönliche Entscheidung. Lehnt er dies jedoch ab, so besteht eine uneingeschränkte Wahrheitspflicht.
Wann kann man von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen?
Das Zeugnisverweigerungsrecht kann in jeder Verfahrensstufe wahrgenommen werden. Das bedeutet, dass auch schon in der Vernehmung durch Polizei oder Staatsanwaltschaft die Aussage verweigert werden kann. Wenn das Beweisthema aufteilbar ist, kann auch nur ein Teil der Aussage verweigert werden, solange dies ausdrücklich erklärt wird. Darüber hinaus ist es auch bei anfänglicher Aussagebereitschaft noch möglich das Zeugnis zu verweigern. Dafür darf die Vernehmung noch nicht abgeschlossen sein. Die bis dahin gemachte Aussage kann jedoch im Prozess verwertet werden.
Muss man über sein Zeugnisverweigerungsrecht belehrt werden und was passiert, wenn dies nicht geschehen ist?
Nach § 52 Abs. 3 S.1 StPO muss ein Zeuge, der zur Verweigerung der Aussage berechtigt ist, vor der Vernehmung zur Sache über dieses Recht belehrt werden. Wird erst im Laufe der Vernehmung deutlich, dass die betroffene Person ein Zeugnisverweigerungsrecht hat, so muss die Belehrung sofort nachgeholt werden. Die bis dahin getätigte Aussage darf nicht verwertet werden.
Wichtig ist auch, dass dem Zeugen sein Weigerungsrecht hinreichend erklärt wird und er eine Vorstellung über die Bedeutung des Rechts bekommt. Es würde also nicht ausreichen, wenn der Richter das Angehörigkeitsverhältnis nur feststellt und den Zeugen dann fragt, ob er aussagen möchte. Findet keine Belehrung statt, so dürfen die Aussage und alle Angaben des Zeugen in früheren Vernehmungen zur Sache nicht verwertet werden, es sei denn der Zeuge stimmt der Verwertung früherer Angaben ausdrücklich zu.
Eine fehlende Belehrung kann nachgeholt werden, wenn der Zeuge erklärt, dass er auch bei rechtzeitiger Belehrung von seinem Weigerungsrecht keinen Gebrauch gemacht hätte. Wird die Aussage berechtigt verweigert, so darf das Gericht daraus bei der Beweiswürdigung keine Schlüsse zum Nachteil des Angeklagten ziehen. Im Falle der unterbliebenen Belehrung hat der Angeklagte die Möglichkeit Revision einzulegen, da ihn die Rechtsunkenntnis des Zeugen unmittelbar berühren kann. Dies gilt nicht, wenn der Zeuge in Kenntnis seines Weigerungsrechts aussagt oder die Belehrung nachgeholt wurde.
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