Schuldunfähigkeit wegen bipolarer Störung: Besonders schwere Brandstiftung

Erwachsende ab 21 Jahren sind grundsätzlich strafmündig und schuldfähig. Unter bestimmten Voraussetzungen kann der Täter nach § 20 Strafgesetzbuch (StGB) jedoch ohne Schuld handeln oder die Strafe kann wegen verminderter Schuldfähigkeit nach § 21 StGB gemindert werden. Ohne Schuld handelt gemäß § 20 StGB, „wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.“ In seinem Beschluss vom 29. September 2023 musste sich der Bundesgerichtshof (1 StR 178/23) mit der Frage auseinandersetzen, inwiefern...

Mord bei Raubüberfall: Anwendung von Jugendstrafrecht auf den 20-jährigen Angeklagten?

Im Jugendgerichtsgesetz (JGG) wird dem Umstand Beachtung geschenkt, dass Jugendliche sich noch in einer Phase befinden, in der Grenzen ausgetestet werden und besondere Bedürfnisse bei der Entscheidung über die Konsequenzen von Straftaten berücksichtigt werden müssen. Gemäß § 1 Abs. 1 JGG gilt das Gesetz, wenn ein Jugendlicher oder ein Heranwachsender eine Verfehlung begeht, die in den allgemeinen Vorschriften mit Strafe bedroht ist. Ein Jugendlicher, der zur Tatzeit 14-17 Jahre alt war, wird immer nach dem JGG behandelt. Heranwachsende zwischen 18 und 20 Jahren dagegen nur unter bestimmten Bedingungen.  Ob der heranwachsende Angeklagte im Sinne des Gesetzes als Jugendlicher oder Erwachsener...

Lebensmittel geklaut mit einem Messer in der Tasche – Höhere Strafe, obwohl das Messer gar nicht benutzt wurde?

Der Diebstahl ist ein Thema, mit welchem man sich fürs Staatsexamen und auch für die Praxis auskennen muss. In Klausuren ist es ein gern gestelltes Thema und auch in der Praxis ist der Diebstahl relevant, da er nach der Kriminalstatistik zu der am häufigsten begangenen Straftat in Deutschland zählt. Wegen einfachen Diebstahls macht sich gemäß § 242 Strafgesetzbuch (StGB) strafbar, wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen. Der besonders schwere Fall des Diebstahls ist im anschließenden § 243 StGB geregelt und der Diebstahl mit Waffen; Bandendiebstahl und der...

Ein abgetrennter Kopf vor dem Gerichtsgebäude – Störung der Totenruhe nach § 168 StGB

Wer die Totenruhe stört, kann mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft werden. Existieren tut der Straftatbestand der Störung der Totenruhe vor allem wegen des Pietätsempfinden der Nahestehenden Personen des Verstorbenen. Strafbar macht sich nach § 168 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB), wer den Körper oder Teile des Körpers wegnimmt. Außerdem wer eine tote Leibesfrucht, Teile einer solchen oder die Asche des Verstorbenen wegnimmt. Zudem wird derjenige bestraft, der daran beschimpfenden Unfug verübt. Nach Abs. 2 ist des Weiteren unter Strafe gestellt, die Aufbewahrungsstätte, die Beisetzungsstätte oder die öffentliche Totengedenkstätte zu zerstören, zu beschädigen oder an dieser beschimpfenden Unfug zu verüben....

Sexueller Missbrauch als Vaterersatz – Die Erheblichkeitsschwelle vom § 184h Nr. 1 StGB

Der sexuelle Missbrauch von Schutzbefohlenen ist im § 174 StGB geregelt. Möglich ist eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren. Doch wer ist eigentlich ein Schutzbefohlener im Sinne des § 174 StGB? Zum einen muss die Person je nach Variante des § 174 StGB unter 18 bzw. unter 16 Jahre alt sein. Außerdem muss zwischen dem Täter und dieser Person ein Obhutsverhältnis bestehen. Dieses liegt vor, wenn das Opfer der Person zur Erziehung anvertraut wurde, aber auch in einem Ausbildungsverhältnis ist ein Obhutsverhältnis gegeben. Auch der Bundesgerichtshof (2 StR 271/23) befasste sich in seinem Beschluss vom 24. August...

Mord aus Heimtücke trotz frontalen Angriffs? 

Wer einen Mord in einer Klausur prüfen muss, kommt oftmals nicht an dem Mordmerkmal der Heimtücke vorbei. Da es eine Menge von Problemen birgt, ist es wohl eines der klausurrelevantesten Mordmerkmale. Nach der Definition handelt heimtückisch, wer in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Tatopfers bewusst zur Tötung ausnutzt. Ob auch im vorliegenden Fall das Mordmerkmal der Heimtücke einschlägig ist, hat der Bundesgerichtshof (1 StR 104/23) in seinem Beschluss vom 15. November 2023 entschieden. Der Angeklagte traf auf einem Bahnhof auf den Geschädigten, den er aus einer früheren Auseinandersetzung wiedererkannte. Nachdem sich die beiden wechselseitig als „Arschloch“ beleidigten, zog...

Hebamme tötet Kind durch unterlassen? – Beginn der Geburt

Schwangerschaftsabbruch oder Totschlag? „Wer eine Schwangerschaft abbricht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ Wer jedoch einen bereits geborenen Menschen vorsätzlich tötet, wird wegen Totschlags (§ 212 StGB) mit nicht unter fünf Jahren oder wegen Mordes (§ 211 StGB) mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft. Ab wann der Anwendungsbereich des Totschlags eröffnet ist, hat der Bundesgerichtshof (6 StR 128/23) in seinem Beschluss vom 2. November 2023 entschieden. Die Angeklagte, die als Hebamme tätig war, bestärkte die Nebenklägerin darin, eine Hausgeburt durchzuführen. In den Jahren, in denen sie als Hebamme arbeitete, entwickelte sie tiefgreifende Vorbehalte gegen Krankenhausgeburten. Nach dem...