Private Ermittler im Dienste der Polizei
In seiner Entscheidung vom 31. März 2011 – 3 Str 400/10 – musste sich der BGH wieder einmal mit der examens- und klausurrelevanten Fragestellung, welche prozessualen Regelungen bei Befragungen eines Beschuldigten durch Privatpersonen anwendbar sind, auseinandersetzen.
Der Entscheidung lag zu Grunde, dass die Ehefrau eines bereits rechtskräftig wegen Betäubungsmittelgeschäften Verurteilten Kontakt mit der Polizei aufnahm und von sich aus anbot, mit einem vermeintlichen Partner ihres Ehemanns ein überwachtes Gespräch zu führen, um diesen dazu zu bewegen, über seine Beteiligung an den Betäubungsmittelgeschäften zu sprechen. Die Ehefrau erhoffte sich Vergünstigungen für ihren Ehemann. Gegen den Geschäftspartner wurde bis dahin noch kein Ermittlungsverfahren geführt. Die Polizei stattete die Ehefrau mit dem notwendigen Equipment aus, gab aber keine weiteren Anweisungen. In der Folge wurde ein belastendes Gespräch geführt und durch die Ehefrau aufgezeichnet. Zu Beginn des Gesprächs versicherte die Ehefrau dem Geschäftspartner, dass sie das Gespräch vertraulich behandeln würde. Aufgrund der Angaben in dem Telefonat wurde der Geschäftspartner verurteilt. Mit der Revision wurde gerügt, dass die Angaben nicht verwertet werden durften, weil ein Beweisverwertungsverbot bestanden habe.
Dies sieht der BGH nicht so.
Zunächst sieht der BGH keinen Verstoß gegen Belehrungspflichten gem. § 163a Abs. 4 StPO iVm 136 Abs. 1 StPO. Nach diesen Vorschriften ist einem Beschuldigtem vor der ersten Vernehmung zunächst zu eröffnen, welche Tat ihm vorgeworfen wird. Weiterhin ist er zu belehren, dass es ihm freistehe Angaben zu machen oder nicht zur Sache auszusagen. Auch ist die Polizei verpflichtet, den Beschuldigten darauf hinzuweisen, dass er einen Verteidiger befragen kann.
Der BGB löst sein Problem streng formal und meint, dass diese Vorschriften nur bei einer förmlichen Vernehmung zur Anwendung kommen. Für eine Vernehmung muss die Auskunftsperson in seiner amtlichen Funktion dem Beschuldigten gegenübertreten und in dieser Eigenschaft Auskunft verlangen. Hintergrund der Belehrungspflichten ist, dass der Betroffene irrtümlich davon ausgehen könnte, dass er gegenüber einer Amtsperson aussagen muss. Bei einem Gespräch mit einer Privatperson kann eine solche Fehlvorstellung nicht entstehen und deshalb ist 136 Abs. 1 StPO nicht anwendbar.
Auch ein Verstoß gegen § 136 a StPO nimmt der BGH nicht an. Nach Auffassung des BGH wurde durch die Polizei keine verbotene Vernehmungsmethode in Form einer Täuschung angewendet. Von der Ehefrau wurde zwar zu Beginn des Gesprächs zugesichert, dass sie den Inhalt geheim halten würde, doch muss das Merkmal Täuschung restriktiv ausgelegt werden. Ohne inhaltliche Begründung kommt der BGH dann zu dem Ergebnis, dass eine unzulässige Täuschung nicht vorliegen würde. Hier müsste in der Klausur ein wenig mehr vorgetragen werden.
Letztlich sieht der BGH auch keinen Verstoß gegen den nemo tenetur se ipsum accusare Grundsatz. Nach diesem Grundsatz kann ein Beschuldigter nicht gezwungen werden, an seiner späteren Verurteilung mitzuwirken. Der Beschuldigte soll deshalb vor unzulässigem Zwang oder Druck geschützt werden. Nach der Rechtsprechung des EGMR liegt darüber hinaus ein Verstoß gegen diesen Grundsatz vor, wenn ein Beschuldigter sich zunächst auf sein Schweigerecht berufen hat und dann aufgrund einer Täuschung durch die Polizei belastende Aussagen entlockt werden. Bei der Beurteilung, ob eine relevante Täuschung vorliegt, sind die Umstände des Einzellfalls zu berücksichtigen. Im konkreten Fall hat der BGH eine Verletzung des nemo tenetur Grundsatzes abgelehnt, weil zunächst sich der Geschäftspartner zu keinen Zeitpunkt gegenüber der Polizei auf sein Schweigerecht berufen, sich der Geschäftspartner in Freiheit befunden und die Polizei die Zeugin nicht instruiert habe.
Das Abschreiben der BGH Lösung ist für die Klausur nicht ausreichend. Deshalb ein paar weitere Argumentationshilfen.
Zunächst einmal dürfen auch geheime Ermittlungsmethoden angewandt werden. Hierzu zählt z.B. die Aufzeichnung des nicht öffentlich gesprochenen Wortes gem. § 100 c StPO und § 100 f StPO und die Herstellung von Bildaufnahmen gem. § 100 h StPO.
Für die Verwertbarkeit von Ergebnissen einer Hörfalle war in der Entscheidung BGH 42, 139 Voraussetzung, dass die Aufklärung der Straftat ohne die Hörfalle deutlich erschwert werden würde. Im vorliegenden Verfahren wusste der Geschäftspartner noch nicht einmal, dass gegen ihn ein Ermittlungsverfahren geführt wird. Er wurde vorher zum Tatvorwurf nicht vernommen. Es kann somit überhaupt nicht beurteilt werden, ob der reuige Geschäftspartner nicht von sich aus ein Geständnis abgelegt hätte. Da die Ehefrau die „Erstbefragung“ durchgeführt hat, ist diese als Äquivalent an die Stelle der polizeilichen Vernehmung getreten.
Aufgrund der formalen Auslegung besteht für die Ermittlungsbehörden ein starkes Interesse, die Informations- und Belehrungspflichten durch den Einsatz von Privatpersonen zu umgehen. Es besteht somit eine erhebliche Missbrauchsgefahr.