Räuberische Erpressung – Vermögensnachteil bei Erlangung von Bankkarte und Geheimzahl
Die Strafbarkeit eines Täters wegen räuberischer Erpressung setzt als Äquivalent zum Vermögensschaden beim Raub einen Vermögensnachteil bei dem Geschädigten voraus. Im Zuge weitläufiger Überschneidungen beider Begriffe wird ein weiter Teil der Rechtsprechung bezüglich des Begriffs des Vermögensschadens auch auf den des Vermögensnachteils übertragen; unter anderem auch die BGH-Rechtsprechung zum Begriff der schadensgleichen Vermögensgefährdung.
Eine Vermögensgefährdung ist dann geeignet einen Vermögensnachteil zu begründen, wenn im Einzelfall durch die Verfügung des Geschädigten das Vermögen konkret gefährdet wird, mit wirtschaftlichen Nachteilen also ernstlich zu rechnen ist.
Dies ist grundsätzlich dann der Fall, wenn der Täter Kenntnis von den geheimen Zugangsdaten des Bankkontos des Geschädigten erlangt und er sich zudem im Besitz der zugehörigen Bankkarte befindet und ihm deshalb die Zugriffsmöglichkeit auf den Auszahlungsanspruch des Berechtigten gegenüber der die Karte akzeptierenden Bank jederzeit eröffnet ist.
So auch in dem, der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 19. Mai 2020 (6 StR 85/20), zugrunde liegenden Sachverhalt. Der Angeklagte verlangte von dem Betroffenen, Geld an einem Bankautomaten abzuheben. Hierzu drohte der Angeklagte dem Betroffen mit einer Schreckschusspistole. Das Abheben von Geld gelang dem Betroffenen jedoch mangels ausreichender Deckung des Kontos nicht. Daraufhin zwang der Angeklagte ihn unter Drohung mit der Waffe, die EC-Karte auszuhändigen und die PIN zu nennen.
Im Zuge dessen erlangte der Angeklagte die Bankkarte des Betroffenen und dessen PIN und somit einen – grundsätzlich eine Vermögensgefährdung begründenden – Zugang zum Bankkonto des Betroffenen. Trotzdem lehnte der BGH vorliegend einen Vermögensnachteil des Betroffenen ab.
Grund hierfür war die fehlende Kontodeckung des Betroffenen. Voraussetzung für die Zufügung eines Vermögensnachteils unter Erlangung von Bankkarte und Geheimzahl ist, dass durch die zusätzlich erlangte Kenntnis von der Geheimzahl mit wirtschaftlichen Nachteilen für das Vermögen des Genötigten bzw. des betroffenen Bankinstituts ernstlich zu rechnen ist. Im vorliegenden Fall war jedoch nicht damit zu rechnen, dass der Angeklagte auf das Vermögen des Betroffenen zugreifen würde. Dessen Konto war an diesem Tag nicht gedeckt, so dass bereits die erste Auszahlung am Geldautomaten gescheitert war.
Der vorliegende BGH-Beschluss verdeutlicht, wie wichtig es bei der Beurteilung darüber, ob ein Vermögensschaden oder -nachteil vorliegt, ist, auf den Einzelfall abzustellen und sich nicht lediglich mit der Anwendung allgemeiner Grundsätze zu begnügen. Zwar ist die Erlangung einer PIN und der dazugehörigen Bankkarte grundsätzlich dazu geeignet einen Vermögensnachteil zu begründen, was in einer Vielzahl der Fälle auch der Fall sein mag. Das der räuberischen Erpressung zugrunde liegende Schutzgut Vermögen ist jedoch trotz dieses Grundsatzes im Einzelfall dann nicht gefährdet, wenn Karte und PIN sich tatsächlich nicht dazu eignen, auf Vermögenswerte zuzugreifen.
Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Fachanwalt für Strafrecht aus Berlin