Rechtswidrige Sicherungsmaßnahmen der JVA: Ausführungen nur noch gefesselt und von SEK-Beamten begleitet
Dass im Strafvollzug Personal fehlt, ist bekannt. Ausführungen oder andere Lockerungen, bei denen es einer Begleitung oder Betreuung durch Vollzugsmitarbeitende bedarf, sind deshalb schwer zu bekommen. Eine Justizvollzugsanstalt (JVA) im Gerichtsbezirk Frankfurt wollte sich offenbar anstaltseigenes Personal sparen und die Ausführungen eines vermeintlich unberechenbaren Gefangenen mit Fesselungen von Händen und Füßen sichern und durch Beamte des Sondereinsatzkommandos (SEK) begleiten lassen. Dass dies für den Gefangenen einen erheblichen und stigmatisierenden Grundrechtseingriff bedeutet, hatte die JVA bei ihrem Paket von Sicherungsmaßnahmen wohl aus den Augen verloren. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt leistete Abhilfe und hob die Sicherungsmaßnahmen mit seinem Beschluss vom 16. Oktober 2018 – 3 Ws 414/18 auf.
Der mittlerweile 70-jährige Betroffene verbüßt unter anderem wegen Mordes eine lebenslange Freiheitsstrafe. Zudem wurde die besondere Schwere der Schuld angeordnet. Im Anschluss an die am 15. Oktober 2019 nach 23 Jahren erreichte Mindestverbüßungsdauer wurde die Unterbringung des Betroffenen in der Sicherheitsverwahrung notiert.
Im Februar 2017 hatte der Anstaltsleiter der Justizvollzugsanstalt (JVA) für Ausführungen des Betroffenen angeordnet, dass diese bis auf weiteres mit einer Fesselung an den Händen und Füßen und in Begleitung durch Beamte des SEK im Wege der Amtshilfe erfolgen dürfen. Die Maßnahmen hielt die JVA für notwendig, weil der Betroffene aufgrund seiner unaufgearbeiteten kriminogenen Faktoren weder Lockerungs- noch Entlassungsperspektiven habe und eine erhöhte Gefahr der Flucht sowie der weiteren Begehung von Straftaten im Falle einer Entweichung oder einer Geiselnahme bestehe. Zudem schätzte die JVA den Betroffenen als derart manipulativ ein, dass er das anstaltseigene Personal verleiten könne, von den Sicherheitsmaßnahmen abzuweichen und deshalb Ausführungen nur in Begleitung von vollzugsunabhängigen SEK-Beamten durchführbar seien.
Nachdem die Strafvollstreckungskammer den Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen hatte, entschied das OLG Frankfurt nun, dass die Sicherungsmaßnahmen der JVA rechtswidrig sind.
Die Anstaltsleitung kann besondere Sicherungsmaßnahmen anordnen, die in einem abschließenden Katalog in den jeweiligen Vollzugsgesetzen der Bundesländer, in Berlin etwa in § 86 StVollzG, geregelt sind. Dazu zählt auch die Fesselung von Gefangenen. Die Anordnung einer Begleitung durch Beamte des Sondereinsatzkommandos ist gesetzlich nicht vorgesehen.
Allen Sicherungsmaßnahmen ist gemein, dass sie eine konkrete Gefahr voraussetzen, für die tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen müssen. Bloße Vermutungen und Befürchtungen sind nicht geeignet, eine derartige Gefahr zu begründen. Werden zwei Sicherungsmaßnahmen nebeneinander angeordnet, muss zudem eine besonders sorgfältige Verhältnismäßigkeitsprüfung vorgenommen werden.
Die von der JVA angeordneten Sicherungsmaßnahmen genügten diesen Anforderungen nicht. Das OLG rügte insbesondere die kumulative und zeitlich unbegrenzte Verhängung der Sicherungsmaßnahmen und deren nicht tragfähige Begründung durch JVA.
Die JVA habe die Sicherungsmaßnahmen ausschließlich auf die unverändert bestehende besondere Gefährlichkeit des Betroffenen und dessen Bereitschaft zum Einsatz von Gewalt begründet. Dies sei in Bezug auf die Fesselung von Händen und Füßen womöglich noch vertretbar. Nicht nachvollziehbar sei allerdings, warum neben der Fesselung die Bewachung von anstaltseigenen Beamten bei dem 70-jährigen Betroffenen nicht ausreichend sein solle, um der Gefahr einer Entweichung oder einer Geiselnahme zu verhindern. Der Begründung, anstaltseigene Beamte könnten von dem Betroffenen manipuliert werden, erteilte das OLG eine klare Absage. Das Personal müsse so geschult und ausgebildet sein, dass die beruflichen Aufgaben mit der notwendigen Distanz und Professionalität durchgeführt werden können. Defizite dürften sich hier nicht zu Lasten der Gefangenen auswirken.
Zudem sei nicht ersichtlich, dass konkrete Anhaltspunkte für eine Gefahrenlage durch dritte Personen den Einsatz von Beamten des Sondereinsatzkommandos rechtfertigen würden, zumal diesem eine diskriminierende Außenwirkung zukomme und den Regelungen des Polizeirechts unterstellt sei.
Der Beschluss zeigt, dass nicht alle Maßnahmen der Anstaltsleitungen hingenommen werden sollten und es sich lohnt, bei derart starken Grundrechtseingriffen den Rechtsweg zu beschreiten.
Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Fachanwalt für Strafrecht aus Berlin
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