Schlimmer kann`s nicht werden – Verbot der Verschlechterung gilt auch für die selbstständige Einziehung von Taterträgen
Das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung ist seit dem 1. Juli 2017 in Kraft. Die Regelungen ermöglichen der Staatsanwaltschaft und den Gerichten eine umfassende Abschöpfung von Vermögen, auch wenn die Herkunft des Vermögens nicht eindeutig geklärt ist. Die Vermögensabschöpfung kann auch selbstständig erfolgen und setzt nicht zwingend ein Urteil voraus. Das ist für die Betroffenen fatal, da es faktisch zu einer Beweislastumkehr kommt. Es war daher nur eine Frage der Zeit, bis sich auch der Bundesgerichtshof mit der Auslegung und Anwendung der Regelungen zur Vermögensabschöpfung beschäftigen musste.
Aktuell wurde dem Bundesgerichtshof (BGH) die Frage vorgelegt, ob das im Rechtsmittelrecht geltende Verschlechterungsverbot auch für die erstmalige Anordnung einer Einziehung gilt. Der BGH bejahte dies in seinem Beschluss vom 10. Januar 2019 – 5 StR 387/18 und stärkte damit die Rechte der von der selbstständigen Einziehung Betroffenen.
Was war passiert?
Der Angeklagte hatte am 17. Mai 2017 über eine Online-Verkaufsplattform einen Mercedes Benz zum Kauf angeboten. Das Auto wurde für einen Preis in Höhe von 30.000,00 € verkauft, welchen der Käufer wenige Tage später entrichtete. Da der Angeklagte aber tatsächlich nicht über den Mercedes verfügte, fand eine Übergabe des Autos, wie von vorneherein beabsichtigt, nie statt. Das Amtsgericht Hamburg verurteilte den Angeklagten deshalb am 24. Juli 2017 wegen Betruges in zwei Fällen, davon in einem Fall versucht, zu einer Jugendstrafe von einem Jahr. Die Vollstreckung der Jugendstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt.
Maßnahmen der Vermögensabschöpfung traf das Amtsgericht nicht und erörterte diese auch nicht in den Urteilsgründen. Es legte dem Angeklagten aber in dem Bewährungsbeschluss auf, den verursachten Schaden von 30.000 € im Rahmen seiner wirtschaftlichen Möglichkeiten nach besten Kräften wiedergutzumachen, mindestens in monatlichen Raten von 50 €. Gegen das Urteil legte der Angeklagte Berufung ein. Die Staatsanwaltschaft legte kein Rechtsmittel ein.
Legt, wie in diesem Fall, nur der Angeklagte Berufung oder Revision ein, gilt das Verschlechterungsverbot. Es darf also keine Entscheidung getroffen werden, die sich in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat zum Nachteil des Angeklagten auswirkt. Das Verschlechterungsverbot soll verhindern, dass der Angeklagte Urteile nicht überprüfen lässt, weil er Nachteile für sich fürchtet.
Der BGH hatte nun zu entscheiden, ob das Verschlechterungsverbot auch gilt, wenn in der Berufung erstmals eine selbstständige Einziehung des Tatertrages nach § 76a StGB angeordnet werden soll. Anlass war, dass die Staatsanwaltschaft in dem hiesigen Fall erstmals die Einziehung des Werts des aus der Tat erlangten Geldbetrages von 30.000 € beantragt hat. Sie ging davon aus, dass das Amtsgericht die Möglichkeit der Einziehung schlichtweg übersehen hatte. Das Landgericht Hamburg hielt dies wegen des Verschlechterungsverbotes für unzulässig und verwarf die Berufung des Angeklagten, ohne eine Einziehung anzuordnen.
Gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg legte die Staatsanwaltschaft Revision ein und griff allein die unterbliebene Wertersatzeinziehung an. Das Hanseatische Oberlandesgericht wollte das Urteil des Landgerichts Hamburg in der Revision aufheben, soweit von der Wertersatzeinziehung abgesehen worden ist. Das Hanseatische Oberlandesgericht ging davon aus, dass das Verschlechterungsverbot nicht gelte, soweit Rechtseinbußen unabhängig von der Rechtsmitteleinlegung drohen würden. So verhalte es sich bei der selbstständigen und nachträglichen Einziehung. Da es bereits eine entgegenstehende Entscheidung des Oberlandesgerichtes Zweibrücken gab, legte das Hanseatische Oberlandesgericht dem BGH die Rechtsfrage vor.
Der BGH lehnte die Ansicht des Hanseatischen Oberlandesgerichtes entschieden ab und erklärte sie als unvereinbar „mit der eindeutigen, einer anderweitigen Beurteilung nicht zugänglichen Gesetzeslage“.
Dabei argumentierte der BGH mit dem Wortlaut des in § 331 Abs. 1, § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO für das Rechtsmittelverfahren und in § 373 Abs. 2 Satz 1 StPO für die Wiederaufnahme normierte Verbot der Verschlechterung. Der Wortlaut gelte grundsätzlich für alle Rechtsfolgen und damit auch für Maßnahmen nach § 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB, zu denen die Einziehung zählt. Durchbrochen werde es durch eine ausdrückliche gesetzliche Regelung nur für die Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus und in der Entziehungsanstalt. Hätte der Gesetzgeber auch eine Durchbrechung des Verschlechterungsverbotes hinsichtlich der nachträglichen Einziehung gewollt, dann hätte er dies ausdrücklich regeln müssen, so der BGH. Eine gesetzeskorrigierende Auslegung bzw. eine richterliche Rechtsfortbildung bei dieser klaren Rechtslage verstoße gegen die Bindung des Richters an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG).
Zudem verwies der BGH darauf, dass das Amtsgericht die Einziehung offensichtlich nicht übersehen habe, da es dem Angeklagten die Rückzahlung des Schadens als Bewährungsauflage auferlegt hatte. Von einem faktischen Leerlaufen des Verschlechterungsverbots könne wegen auch sonst sicher zu erwartenden identischen Rechtsnachteils keine Rede sein.
Es muss demnach nicht befürchtet werden, dass in der Rechtsmittelinstanz erstmals eine Einziehung angeordnet werden kann. Dies gilt selbstverständlich nur, wenn allein der Angeklagte Rechtsmittel eingelegt hat. Legt auch die Staatsanwaltschaft Rechtsmittel ein, gilt das Verschlechterungsverbot nicht, sodass im Einzelfall eine Einziehung des Tatertrages im Nachhinein droht.
Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Strafverteidiger aus Berlin-Kreuzberg