Schlüpfrige Chat-Nachrichten – Das Mordmerkmal der Heimtücke
Totschlag oder Mord? Um diese Frage beantworten zu können, muss auf die Mordmerkmale zurückgegriffen werden. Eins der Mordmerkmale, die im § 211 Abs. 2 StGB geregelt sind, ist die Heimtücke. Heimtückisch handelt, wer die zum Zeitpunkt seines Angriffs bestehende Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Begehung der Tat ausnutzt. Da diese Definition eine sehr weite Auslegung der Heimtücke ermöglicht, kommt es regelmäßig zu Problemen.
So auch im Beschluss des Bundesgerichtshofes (1 StR 81/22) vom 5. April 2022. Die Revision des Angeklagten richtete sich im hiesigen Fall gegen die vom Landgericht München festgestellte Heimtücke und der damit einhergehenden Verurteilung wegen Mordes.
Dem vorliegenden Sachverhalt nach, las der Angeklagte Chat-Nachrichten mit sexuellem Inhalt, die seine Ehefrau mit einem anderen austauschte. Der Angeklagte fürchtete aufgrund dieser Nachrichten den Fortbestand der Ehe, an der er aufgrund des Vermögens seiner Ehefrau festhalten wollte.
Als er seine Ehefrau zur Rede stellte, forderte diese ihn auf, zu verschwinden, und äußerte sinngemäß, dass alles okay wäre, wenn sie ihn jetzt umbringe. Der gekränkte Angeklagte griff daraufhin nach einem Küchenmesser und streckte mit seinem linken Arm mit einer abwehrenden Bewegung nach vorne, um mögliche Abwehrversuche seiner Frau zu verhindern. Dann stach der Angeklagte mindestens zehn Mal zu und würgte sie schließlich, um den Todeseintritt zu beschleunigen.
Der Bundesgerichtshof führte in seinem Beschluss an, dass die Feststellungen nicht das Mordmerkmal der Heimtücke tragen. Zum einen ist bereits die Arglosigkeit in objektiver Hinsicht bedenklich, da die Äußerungen ihrerseits nahelegen, dass sie von einer drohenden schweren tätlichen Auseinandersetzung ausging.
Zum anderen ist der Tatvorsatz bezüglich der Arglosigkeit der Ehefrau und dem Ausnutzungsbewusstsein nicht rechtsfehlerfrei festgestellt, weshalb die Revision im vorliegenden Fall Erfolg hatte.
Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Strafverteidiger aus Berlin-Kreuzberg