Schuldunfähigkeit wegen bipolarer Störung: Besonders schwere Brandstiftung
Erwachsende ab 21 Jahren sind grundsätzlich strafmündig und schuldfähig. Unter bestimmten Voraussetzungen kann der Täter nach § 20 Strafgesetzbuch (StGB) jedoch ohne Schuld handeln oder die Strafe kann wegen verminderter Schuldfähigkeit nach § 21 StGB gemindert werden. Ohne Schuld handelt gemäß § 20 StGB, „wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.“
In seinem Beschluss vom 29. September 2023 musste sich der Bundesgerichtshof (1 StR 178/23) mit der Frage auseinandersetzen, inwiefern eine bipolare Störung zur Schuldunfähigkeit führen kann. Die Angeklagte, die an einer bipolaren affektiven Störung leidet, schaltete am Tattag ihre Herdplatte an, auf der mehrere Geschirrtücher lagen, obwohl sie wusste, dass sich die Tücher auf der Platte befanden. Dadurch geriet die Wohnung und auch Teile des Gebäudes, in dem noch weitere Personen wohnten, in Brand. Sie verließ daraufhin das Gebäude und sah zuerst zu, ohne etwas zu tun. Erst als ein anderer Bewohnender den Brand bemerkte, entschloss sie sich dazu, die anderen Bewohner zu warnen. Durch den Brand entstand ein Sachschaden von mindestens 300.000,00 €. Das Landgericht Heilbronn sah keine tragfähigen Anhaltspunkte für die Beeinträchtigung der Unrechtseinsicht- oder Steuerungsfähigkeit der Angeklagten bei der Tat und verurteilte die Angeklagte wegen besonders schwerer Brandstiftung.
Nach Auffassung des Bundesgerichtshofes bestehen bezüglich der Prüfung der Schuldfähigkeit jedoch durchgreifende rechtliche Bedenken. Demnach liegt ein Beruhen des Verhaltens auf der Krankheit bei der Tat nahe, nachdem die Angeklagte sich in der Vergangenheit unter Einfluss ihrer Krankheit eigen- und fremdaggressiv verhielt und es 2019 bereits zu einem vergleichbaren Brand durch ihr Verschulden kam. Das Landgericht hätte sich aufgrund mehrerer Anzeichen näher mit der Krankheit der Angeklagten auseinandersetzen müssen, sodass der Schuldspruch sowie die Nichtanordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus keinen Bestand haben.
Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Strafverteidiger aus Berlin-Kreuzberg