Schwere Brandstiftung an einem als Flüchtlingsunterkunft genutzten Gebäude

In den vergangenen Jahren hört bzw. liest man in den Nachrichten nicht selten von Bränden, die in Flüchtlingsunterkünften gestiftet worden sind. Abhängig von dem konkreten Fall kommt für die Auslöser des Brandes in diesen Fällen eine Strafbarkeit wegen einer der Brandschutzdelikte der §§ 306 ff. StGB in Betracht, also beispielsweise wegen (schwerer) Brandstiftung, besonders schwerer Brandstiftung, Brandstiftung mit Todesfolge oder fahrlässiger Brandstiftung. 

So auch in dem der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 14. November 2019 – 3 StR 408/19 – zugrundeliegenden Fall. 

Der Fall hatte den folgenden Sachverhalt: Der aus dem Sudan geflüchtete Angeklagte war 2015 nach Deutschland gekommen und lebte hier in einer Flüchtlingsunterkunft. Nachdem sein Asylantrag abgelehnt worden war, war er in dem Besitz einer ausländerrechtlichen Duldung und bezog Sozialhilfe. Dabei war er mit seinen Lebensbedingungen zunehmend unzufrieden, insbesondere da es ihm durch den ausländerrechtlichen Status weder möglich war, eine Arbeit aufzunehmen, noch kostenfrei weiterführende Deutschkurse zu besuchen. Sein Unmut über seine geringen Einkünfte und seine Wohnsituation in der Flüchtlingsunterkunft, die er als unangemessen empfand, steigerte sich zusehends. Er entschloss sich daher dazu, seine Unterkunft anzuzünden, um sie durch den Brand zu beschädigen oder zu zerstören. Wie er wusste, waren in dem Gebäude mehrere Personen untergebracht, die in Deutschland um Asyl nachsuchten. Die herbeigerufene Feuerwehr konnte den Brand zwar zügig löschen, allerdings war das Feuer in dem Zimmer des Angeklagten schon so weit vorangeschritten, dass es zu großflächigen Abplatzungen des Putzes an der Wand und starken Verrußungen gekommen war; das Zimmer war deshalb vorübergehend unbewohnbar.

Von dem Landgericht Lüneburg war der Angeklagte daher wegen schwerer Brandstiftung gemäß § 306a StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil hatte der Angeklagte Revision eingelegt, die jedoch keinen Erfolg hatte.

Bevor wir uns der Begründung des BGH widmen, ist es erforderlich, dass wir uns zunächst einmal den Straftatbestand des § 306a StGB zu Gemüte führen: 

㤠306a Schwere Brandstiftung

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.ein Gebäude, ein Schiff, eine Hütte oder eine andere Räumlichkeit, die der Wohnung von Menschen dient,

2.eine Kirche oder ein anderes der Religionsausübung dienendes Gebäude oder

3.eine Räumlichkeit, die zeitweise dem Aufenthalt von Menschen dient, zu einer Zeit, in der Menschen sich dort aufzuhalten pflegen,

in Brand setzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine in § 306 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 bezeichnete Sache in Brand setzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört und dadurch einen anderen Menschen in die Gefahr einer Gesundheitsschädigung bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.“

Erforderlich für eine Verurteilung ist demnach, dass der Angeklagte z.B. ein Gebäude, das der Wohnung von Menschen dient, „in Brand setzt“ oder durch eine „Brandlegung ganz oder teilweise zerstört“. 

Kommen wir nun zur Begründung des BGH: Der BGH hat ausgeführt, dass das Landgericht zutreffend davon ausgegangen sei, dass der Angeklagte durch sein Verhalten ein Gebäude durch Brandlegung teilweise zerstörte.

Ob eine Zerstörung im Sinne des § 306a StGB vorliegt, müsse das Tatgericht nach den Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung der konkreten Nutzungszwecke anhand des Maßstabs eines „verständigen Wohnungsinhabers“ beurteilen. 

Dabei sei ein als Flüchtlingsunterkunft genutztes Gebäude unter anderem dann „teilweise zerstört“, wenn ein dem Bewohner der Unterkunft zu Wohnzwecken zur Verfügung gestelltes Zimmer brandbedingt für beträchtliche Zeit unbewohnbar wird. Insoweit stelle das Zimmer im Hinblick auf den Gesetzeszweck, der primär darin besteht, das Wohnen als „Mittelpunkt menschlichen Lebens“ zu schützen, ebenso eine selbstständige, zum Wohnen bestimmte „Untereinheit“ der Flüchtlingsunterkunft dar wie eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus.

Denn das Zimmer in einer Flüchtlingsunterkunft stelle für seinen Bewohner unter dem Gesichtspunkt des Wohnens den Mittelpunkt menschlichen Lebens dar. Es diene ihm – unabhängig von seiner Ausstattung im Einzelnen – zumindest zum Zweck des Aufenthalts und des Schlafens. Es sei der einzige abgeschlossene Raum, der ihm zur persönlichen Nutzung zur Verfügung steht, und damit sein alleiniges Refugium zur privaten Lebensführung. Regelmäßig befindet sich zudem seine gesamte persönliche Habe darin. Ob das Zimmer mit einer Kochgelegenheit oder einer sanitären Einrichtung ausgestattet ist, sei demgegenüber von untergeordneter Bedeutung. Wie bei einer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus  könne das Tatbestandsmerkmal des teilweisen Zerstörens im Hinblick auf ein Zimmer in einer Flüchtlingsunterkunft mithin erfüllt sein, wenn die brandbedingte Einwirkung auch nur einen der für das Wohnen wesentlichen Zwecke des Aufenthalts oder des Schlafens vereitelt.

Vorliegend sei es im Zimmer des Angeklagten zu „großflächigen Abplatzungen des Putzes an der Wand“ und „starken Verrußungen“ gekommen. In Anbetracht dessen erschließe es sich ohne Weiteres, dass die aus der brandbedingten Einwirkung resultierende „vorübergehende“ Unbewohnbarkeit des Zimmers eine Zeitspanne umfasste, die deutlich über wenige Stunden oder einen Tag hinausging. 

Für den Angeklagten blieb es daher bei der Freiheitsstrafe, die ihm durch das Landgericht auferlegt worden war. 

Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Strafverteidiger aus Berlin-Kreuzberg

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