Sexueller Missbrauch der 5-Jährigen Nachbarin – Keine Jugendstrafe verhängt
Das Jugendstrafrecht, welches im Jugendgerichtsgesetz (JGG) geregelt ist, kennt andere Sanktionen als das Erwachsenenstrafrecht. So werden meist mildere Eingriffsmöglichkeiten eingesetzt. Doch auch im Jugendstrafrecht kann es unter bestimmten Voraussetzungen zu Gefängnisstrafen kommen. Die Jugendstrafe ist im § 17 JGG geregelt und stellt die härteste Sanktion im Jugendstrafrecht dar. Sie kommt dann zum Einsatz, wenn Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel nicht ausreichen und auch nur dann, wenn die Schwere der Schuld oder eine schädliche Neigung beim Jugendlichen vorliegt.
Ob die Voraussetzungen für eine Jugendstrafe im gegenständlichen Fall vorliegen, hat der Bundesgerichtshof (3 StR 56/23) in seinem Beschluss vom 29. Juni 2023 entschieden. Im hiesigen, der Entscheidung des Bundesgerichtshofes zugrundeliegenden Sachverhalt wurde der 17-Jährige Angeklagte wegen des sexuellen Missbrauchs von Kindern in 4 Fällen schuldig gesprochen. Beim „Vater-Mutter-Kind“ spielen forderte der Angeklagte seine 5-6 Jährige Nachbarin dazu auf, seinen erigierten Penis anzufassen, daran zu lecken und ihn in einem Fall in den Mund zu nehmen.
Das Landgericht prüfte zwar die Verhängung der Jugendstrafe, kam aber mangels schädlicher Neigung und Schwere der Schuld zu dem Ergebnis, diese abzulehnen. Nach einer Revision der Staatsanwaltschaft stellte der Bundesgerichtshof keine Rechtsfehler fest.
Demnach lässt die Würdigung des Landgerichts Aurich keinen wesentlichen Umstand außer Betracht. Durch eine Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Angeklagten konnten zuerst schädliche Neigungen verneint werden. Insbesondere seine ehrliche Reue, seine an sich auf gleichaltrige Frauen ausgerichtete Sexualität und eine altersgerechte Sozialisierung sprechen gegen eine schädliche Neigung.
Bezüglich der Schwere der Schuld wurde erkannt, dass es sich um einen besonders schweren Fall handelt und die begangene Tat das Leben der Geschädigten nachhaltig beeinfluss kann. Weiterhin führt der Bundesgerichtshof aus, dass der gravierende Unrechtsgehalt für eine Schwere der Schuld sprechen kann. Jedoch habe der Angeklagte viele weitere Gelegenheiten zur Tatbegehung gehabt, was nach dem Beschluss dafür spricht, dass der Angeklagte in den Einzelfällen jeweils situationsbedingt gehandelt habe und diese Rollenspiele nicht selber initiiert hat, um das Kind sexuell zu missbrauchen. Auch in dieser Würdigung sieht der Bundesgerichtshof keinen Rechtsfehler, sodass das Ergebnis aus revisionsrechtlicher Sicht hinzunehmen ist.
Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Strafverteidiger aus Berlin-Kreuzberg