Sexueller Missbrauch durch einen Orthopäden: Das Berufsverbot nach § 70 StGB
Das Berufsverbot gemäß § 70 Strafgesetzbuch (StGB) stellt einen gravierenden Eingriff in die Berufsfreiheit dar. Es wird verhängt, um die Allgemeinheit oder einen bestimmten Personenkreis vor weiterer Gefährdung in Ausnutzung der Berufstätigkeit zu schützen.
Angeordnet werden kann das Berufsverbot nach § 70 Abs. 1 StGB, wenn jemand wegen einer rechtswidrigen Tat, die er unter Missbrauch seines Berufs oder Gewerbes oder unter grober Verletzung der mit ihnen verbundenen Pflichten begangen hat, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt wurde, weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist.
Für eine Dauer von einem Jahr bis zu fünf Jahren kann das Berufsverbot angeordnet werden, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und der Tat die Gefahr erkennen lässt, dass er bei weiterer Ausübung des Berufs erhebliche rechtswidrige Taten der bezeichneten Art begehen wird. Für immer kann das Berufsverbot dagegen angeordnet werden, wenn zu erwarten ist, dass die gesetzliche Höchstfrist zur Abwehr der von dem Täter drohenden Gefahr nicht ausreicht.
Wie im vorliegenden Fall die Anordnung eines Berufsverbotes zu bewerten ist, stellte der Bundesgerichtshof (4 StR 416/23) in seinem Beschluss vom 26. März 2024 fest. Der Angeklagte arbeitete in seiner eigenen orthopädischen Praxis als Arzt. Als er eine Patientin behandelte, drückte er sein erigiertes Glied an sie. Daraufhin drückte er seinen Penis zwischen ihre Pobacken und vollzog Stoßbewegungen bis zur Ejakulation. Die Geschädigte war während des Geschehens „wie paralysiert“, sodass sie sich nicht bewegen konnte. Der Angeklagte wurde daraufhin vom Landgericht Bielefeld zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren verurteilt. Daneben wurde ihm untersagt, den Beruf des Arztes für die Dauer von 5 Jahren auszuüben.
Zuerst stellte der Bundesgerichtshof klar, dass ganz besonders strenge Anforderungen an ein Berufsverbot zu stellen sind, wenn der Täter erstmalig wegen einer Anlasstat straffällig wird. Anschließend führte er aus, dass in diesem Fall für die Anordnung eines Berufsverbotes nicht alle maßgeblichen Gesichtspunkte für die Gefährlichkeitsprognose berücksichtigt wurden. Es hätte auch hier einbezogen werden müssen, dass der Angeklagte vorher strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten war. Außerdem bleibt unberücksichtigt, dass die empfindliche Freiheitsstrafe den Angeklagten bereits nachhaltig beeindrucken könnte.
Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Strafverteidiger aus Berlin-Kreuzberg