Spontaner Mord?
Unter Umständen kann es schwer zu bestimmen sein, ob ein Totschlag nach § 212 Strafgesetzbuch (StGB) oder ein Mord nach § 211 StGB vorliegt. Besonders die niedrigen Beweggründe können aufgrund der weitreichenden Definition nicht leichtfertig angenommen werden.
Diese liegen dann vor, wenn die Beweggründe nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und deshalb besonders verwerflich sind. Dabei ist im Rahmen einer Einzelfallbetrachtung stets eine Gesamtabwägung durchzuführen.
Auch der Bundesgerichtshof (6 StR 23/22) musste sich in seinem Beschluss vom 15. Juni 2022 damit beschäftigen, ob es sich im vorliegenden Fall um einen Totschlag oder einen Mord aus niedrigen Beweggründen handelt.
Im hiesigen Sachverhalt fuhren die alkoholisierten Angeklagten nachts auf einen Hotelparkplatz und beschädigten dort einen Zaun und ein Auto.
Die Hotelbetreiberin informierte daraufhin ihren Ehemann, der die Angeklagten dann zur Rede stellte und bis zum Erscheinen der Polizei festhalten wollte. Die Angeklagten versetzten dem Geschädigten jedoch anschließend mehrere Schläge, sodass er verstarb.
Das Landgericht Magdeburg sah den Mord aus niedrigen Beweggründen hier nicht als erfüllt und verurteilte die Angeklagten wegen Totschlags. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofes kann aber durchaus ein Mord aus niedrigen Beweggründen vorliegen.
Nach diesem begegnet die Ablehnung des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Es ist bei der Gesamtwürdigung die Vorgeschichte der Tat von entscheidender Bedeutung, in welcher die Angeklagten den Geschädigten durch die Beschädigungen herausgefordert hatten. Außerdem eskalierte die Situation vorliegend durch das Verhalten der Angeklagten.
Zuletzt stellt der Bundesgerichtshof fest, dass auch der Charakter der Tat als Spontantat die Annahme der niedrigen Beweggründe nicht hindert.
Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Strafverteidiger aus Berlin-Kreuzberg