Statt 1 Jahr Zuchthaus – 300 Mark Geldstrafe (Heute vor 87 Jahren in der Zeitung)

Auch vor 87 Jahren konnten Strafverfahren bereits ein erfreuliches Ende finden:

Statt 1 Jahr Zuchthaus 300 Mark Geldstrafe

Statt 1 Jahr Zuchthaus – 300 Mark Geldstrafe
Eine erfolgreiche Revision beim Reichsgericht

Der Oberpostschaffner R. war vom Großen Schöffengericht Charlottenburg wegen gewinnsüchtiger Aktenvernichtung zu 1 Jahr Zuchthaus verurteilt worden. Er hatte von alten Paketadressen entwertete Freimarken abgelöst und auf neue Paketadressen geklebt. Die alten Stempel hatte er durch neue überklebt. Im ganzen handelte es sich um 14 Fälle, die einen Betrag von etwa 14 Mark ausmachten. Die auf diese Weise erlangten Beträge hatte R. nicht für persönliche Bedürfnisse verwendet, sondern zur Deckung von Fehlbeträgen, die in seiner Portokasse entstanden waren.

Das Schöffengericht hatte angenommen, dass die Paketarten amtliche Urkunden seien und dass der Angeklagte sie in gewinnsüchtiger Absicht vernichtet habe. In Berücksichtigung des Umstandes, dass der Angeklagte eine 25jährigen tadellose Dienstzeit hinter sich hatte und fünf Kinder besaß, wurde auf die Mindeststrafe von 1 Jahr Zuchthaus erkannt. Die dagegen eingelegte Berufung war auch von der Strafkammer des Landgerichts III zurückgewiesen worden. Gegen diese beiden Entscheidungen hatte Rechtsanwalt Dr. Jacques Abraham Revision beim Reichsgericht eingelegt und dieses hatte sich in ausführlicher Begründung den vorgetragenen Rechtsgründen angeschlossen, dass der Angeklagte bei der Loslösung der Freimarken nicht die Absicht der Urkundenvernichtung verfolgt habe, sondern dass diese in der Vorbereitungshandlung stecken geblieben sei. Nach dem Reichsgericht, das das Urteil aufhob und an das Landgericht zurückverwies, kommt nur ein Vergehen wegen Entfernung und Verwendung schon einmal benutzter Post- und Telegraphenwertzeichen in Frage.

Gestern hatte sich R. erneut vor der Berufungsstrafkammer des Landgerichts III zu verantworten. Der Staatsanwalt beantragte 6 Monate Gefängnis. Rechtsanwalt Dr. Jacques Abraham wies jedoch nach, dass nach dem für das Vergehen des Angeklagten allein in Betracht kommenden § 276 Abs. 2 des StGB, eine Strafbestimmung, die bei den Gerichten höchst selten zur Aburteilung gelange, nur eine Höchststrafe von 600 Mark vorgesehen sei. Die Strafkammer hob nunmehr das vom Schöffengericht ergangene Zuchthausurteil gegen den Angeklagten auf und erkannte gegen ihn auf 300 Mark Geldstrafe.

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