Stellt der sexuelle Missbrauch des Stiefenkels einen sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen dar?
Der § 174 Strafgesetzbuch (StGB) regelt den sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen und soll Jugendliche vor sexuellen Übergriffen in ihrem engsten sozialen und verwandtschaftlichen Umfeld schützen.
In § 174 Abs. 1 StGB werden unter den drei Nummern verschiedene Personengruppen geschützt. Hierzu zählen unter anderem die in Nummer 3 genannten Personen unter achtzehn, die leiblicher oder rechtlicher Abkömmling des Täters sind oder der seines Ehegatten, Lebenspartners oder einer Person, mit der der Täter in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft lebt.
In seinem Beschluss vom 22. Juni 2021 musste sich der Bundesgerichtshof (2 StR 131/21) damit auseinandersetzen, wer genau von diesem Personenkreis umfasst ist.
Im vorliegenden Sachverhalt handelt es sich bei dem Angeklagten um den Stiefgroßvater der Nebenklägerin. Der Sohn des Angeklagten ist mit der Mutter der Nebenklägerin verheiratet. Ab und zu übernahm der Angeklagte die Betreuung für seine Stiefenkelin, wobei es mehrfach zu sexuellen Übergriffen kam, in denen der Angeklagte versuchte, die Nebenklägerin teilweise mit Krafteinwirkung anzufassen.
Das Landgericht Darmstadt verurteilte ihn daraufhin wegen sexuellen Missbrauchs an Schutzbefohlenen. Der Schuldspruch hatte vor dem Bundesgerichtshof jedoch keinen Bestand.
Nach Auffassung des Bundesgerichtshofes liegt im vorliegenden Fall kein Verhältnis nach § 174 Abs. 1 Nr. 3 StGB vor.
Bei der Stiefenkelin handelt es sich nicht um einen leiblichen Abkömmling des Angeklagten. Die Nebenklägerin ist auch kein rechtlicher Abkömmling, soweit nicht festgestellt wurde, dass der Sohn des Angeklagten bereits bei der Geburt der Nebenklägerin mit ihrer Mutter verheiratet war. Zuletzt ist sie auch kein Abkömmling des Ehegatten, Lebenspartners oder der Person, mit der er in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft lebt. Die eigenen Stiefenkel sind somit vom geschützten Personenkreis des § 174 Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht erfasst.
Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Fachanwalt für Strafrecht aus Berlin-Kreuzberg