Tankstellenbetrug und anschließender Überfall auf den Tankstellenmitarbeiter
Der Bundesgerichtshof (BGH) setzte sich in seinem Beschluss (5 StR 318/22) vom 08. November 2022 mit dem folgenden Sachverhalt auseinander:
Nach den Feststellungen des Landgerichts Itzehoe fuhr der Angeklagte an einem Abend im Jahr 2019 gemeinsam mit den zwei gesondert Verfolgten an eine Autobahntankstelle. Sie hatten verabredet, den Pkw zu betanken, ohne den Kraftstoff zu bezahlen, und die Tankstelle unter Verwendung eines Messers zu überfallen. Der Angeklagte ließ die beiden gesondert Verfolgten im Bereich der Toiletten aussteigen. Danach fuhr er zu einer nur wenige Meter entfernten Zapfsäule und tankte um 20:00 Uhr für 56,24 €, wobei er den Kopf gesenkt hielt und sich bemühte, sein Gesicht verdeckt zu halten; zuvor hatte er das Kennzeichen abgedeckt. Der Tankstellenmitarbeiter bemerkte den Tankvorgang nicht.
Nach der Beendigung des Tankvorgangs stellte der Angeklagte das Auto um 20:02 Uhr fluchtbereit vor den Toiletten ab und betrat nur wenige Sekunden später gemeinsam mit den gesondert Verfolgten den Verkaufsraum der Tankstelle. Der Angeklagte stellte sich an den Kassentreten, so dass der Tankstellenmitarbeiter annahm, einen zahlungswilligen Kunden vor sich zu haben. Tatsächlich diente dieses Vorgehen der Umsetzung des Überfallplans. Der Angeklagte lenkte den Tankstellenmitarbeiter mit einer Frage nach Zigaretten ab. Einer der gesondert Verfolgten nutzte dies aus, um hinter den Verkaufstresen zu gehen und dem Tankstellenmitarbeiter ein Messer an den Hals zu halten. Auf Aufforderung des Angeklagten und der gesondert Verfolgten öffnete der Tankstellenmitarbeiter die Kasse, aus der 650,00 € entnommen wurden. Anschließend flüchteten sie mit dem Auto des Angeklagten. Die Beute teilten sie untereinander auf.
Das Landgericht Itzehoe verurteilte den Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung und wegen Diebstahls. Die durch den Angeklagten geführte Revision des Angeklagten hatte vor dem BGH Erfolg.
Der BGH trug in seinem Beschluss zunächst vor, dass derjenige, dessen Bestreben beim Tanken von Anfang an darauf gerichtet sei, das Benzin an sich zu bringen, ohne den Kaufpreis zu entrichten, sich nicht – wie vom Landgericht Itzehoe angenommen – des Diebstahls (oder der Unterschlagung), sondern des Betruges gemäß § 263 StGB schuldig mache. Wird der unter Vorspiegelung der Zahlungsbereitschaft durchgeführte Tankvorgang – wie im hiesigen Fall – nicht vom Tankstellenpersonal bemerkt, sei der Täter wegen versuchten Betruges zu verurteilen.
Weiterhin habe sich der Angeklagte nach dem für die rechtliche Bewertung des vermögensschädigenden Verhaltens maßgeblichen äußeren Erscheinungsbild nicht wegen einer besonders schweren räuberischen Erpressung, sondern wegen des besonders schweren Raubes nach §§ 249 Abs. 1, 250 Abs. 2 Nr. 1, 25 Abs. 2 StGB strafbar gemacht.
Schließlich führten die Karlsruher Richter aus, dass sich der Tankvorgang und der Raubüberfall auf der Tankstelle auf einem einheitlichen Tatentschluss beruhten und sich binnen drei Minuten am selben, lediglich einige Quadratmeter umfassenden Ort abspielte. Die Handlungen des Angeklagten gingen ohne Zäsur ineinander über. Bei natürlicher Betrachtungsweise stelle sich das gesamte Tätigwerden des Angeklagten auch aus der Sicht eines Dritten als ein einheitlich zusammengefasstes Tun dar (sogenannte natürliche Handlungseinheit) und stehe daher im Verhältnis der Tateinheit im Sinne von § 52 StGB zueinander.
Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Fachanwalt für Strafrecht in Berlin-Kreuzberg