Tödlicher Angriff auf den Rosenmontagszug: Mordmerkmal des gemeingefährlichen Mittels
Mörder ist, wer einen Menschen tötet und dabei ein Mordmerkmal verwirklicht (§ 211 StGB). Eines der Mordmerkmale ist das des gemeingefährlichen Mittels. Darunter werden solche verstanden, die geeignet sind, in der konkreten Tatsituation eine unbestimmte Mehrzahl von Menschen an Leib und Leben zu gefährden und deren Wirkungsweise der Täter nicht sicher beherrschen kann.
In seinem Beschluss vom 10. November 2022 musste sich der Bundesgerichtshof (4 StR 192/22) mit dem Mordmerkmal der Tötung mit einem gemeingefährlichen Mittel beschäftigen und dieses von der Mehrfachtötung abgrenzen.
Der Angeklagte im hiesigen Fall fuhr mit seinem Auto mit erhöhter Geschwindigkeit in die Menschenmenge des Rosenmontagszugs, um eine möglichst große Anzahl von Personen zu töten. Verletzt wurden dabei über 80 Personen. Nachdem er in mehrere Gruppen hineingefahren war, kam sein Fahrzeug aus unbekannten Gründen zum Stehen.
Einen erneuten Versuch, anzufahren, unterbanden daraufhin mehrere Personen, indem sie das Fahrzeug aus den Federn hoben und den Angeklagten überwältigten. Das Landgericht Kassel verurteilte den Angeklagten daraufhin unter anderem wegen versuchten Mordes in 89 tateinheitlich zusammentreffenden Fällen. Als Mordmerkmal stellte das Landgericht die Heimtücke und die Tötung mit einem gemeingefährlichen Mittel fest. Auch der Bundesgerichtshof stellte klar, dass diese Mordmerkmale im hiesigen Fall vorliegen, erörterte jedoch genauer das Mordmerkmal der Tötung mit einem gemeingefährlichen Mittel und grenzte es von der Mehrfachtötung ab.
In seinem Beschluss erklärte der Bundesgerichtshof, dass das Mordmerkmal des gemeingefährlichen Mittels nicht die Mehrfachtötung umfasst. Diese liegt vor, wenn sich der Täter mit Tötungsabsicht gegen eine Mehrzahl von ihm individualisierter Opfer richtet und dabei keine Zufallsopfer in Kauf genommen werden. Vorliegend war dem Angeklagten jedoch nach den Feststellungen bewusst, dass er die Ausdehnung der durch die Fahrt verursachten Gefahren nicht in der Hand haben werde. Er hatte insbesondere keine Kontrolle darüber, welche der Personen durch umherfliegende Gegenstände in Lebens- und Lebensgefahr geraten würden, sodass das Mordmerkmal der Tötung mit einem gemeingefährlichen Mittel hier einschlägig ist.
Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Strafverteidiger aus Berlin-Kreuzberg