Töten oder Habseligkeiten beschützen?
Von dem Versuch einer Straftat wieder zurücktreten? Das ist nach dem persönlichen Strafaufhebungsgrund des Rücktritts gem. § 24 StGB möglich. Nach § 24 Abs. 1 S. 1 StGB wird „wegen Versuchs nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert.
Dabei ist ein wichtiges Stichwort die Freiwilligkeit, mit der sich auch der Bundesgerichtshof (1 StR 330/22) in seinem Beschluss vom 16. November 2022 beschäftigen musste. In dem, der Entscheidung des Bundesgerichtshofes zugrundeliegenden Sachverhalt wurde der obdachlose Angeklagte, nachdem er ein hochwertiges Fahrrad geklaut hatte, vom Eigentümer gestellt. Der Angeklagter war dabei durch Alkohol- und Drogenkonsum in seiner Steuerungsfähigkeit nicht ausschließbar erheblich vermindert.
Während dieser Situation zog der Angeklagte ein Messer mit einer Klingenlänge von 9 cm aus seiner Bauchtasche und bedrohte damit einen hinzukommenden Passanten. Daraufhin stach der Angeklagte 2 Mal in Richtung des Bauches des Passanten, der die Bewegungen aber mit seinem Arm abwehren konnte. Anschließend lief er weg, woraufhin ihm der Angeklagte einige Meter mit dem Messer in der Hand folgte, dann aber jedoch zurückkehrte, um seine zurückgelassenen Habseligkeiten zu sichern.
Das Landgericht Ulm ging dabei von einem fehlgeschlagenen Tötungsversuch aus und verurteilte den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit weiteren Delikten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 3 Monaten. Der Bundesgerichtshof führt in seinem Beschluss jedoch aus, dass das Landgericht einen strafbefreienden Rücktritt nach § 24 Abs. 1 S. 1 StGB nur unzureichend geprüft hat.
Demnach soll das Landgericht keine hinreichenden Feststellungen zum Vorstellungsbild des Angeklagten nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung getroffen haben. Es erscheint demnach nicht ausgeschlossen, dass der Angeklagten nach seinem Vorstellungsbild den weglaufenden Zeugen noch hätte einholen können, was für die Freiwilligkeit des Rücktritts entscheidend ist. Der aufgezeigte Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Urteils.
Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Strafverteidiger aus Berlin-Kreuzberg