Tötung nach Misshandlungen eines Kindes – Totschlag oder Mord aus niedrigen Beweggründen?
Was ist unter einem Mord aus niedrigen Beweggründen zu verstehen? Da der Begriff zuerst sehr breitgefächert wirkt, muss dieses Mordmerkmal weiter eingegrenzt werden. Es kommt in vielen Fällen in Betracht, doch musst zuerst eine umfassende Gesamtwürdigung vorgenommen werden, um einen Mord aus niedrigen Beweggründen feststellen zu können.
Beweggründe sind dann niedrig, wenn sie nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und deshalb besonders verachtenswert sind. Die bereits erwähnte Gesamtwürdigung muss sowohl alle äußeren als auch alle inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgebliche Faktoren berücksichtigen.
Der Mord aus niedrigen Beweggründen war auch Mittelpunkt des Beschlusses des Bundesgerichtshofes (1 StR 339/22) vom 14. Juni 2023. Der Angeklagte quälte und verletzte das zweijährige Kind seiner Partnerin über Wochen hinweg. So kam es unter anderem zu einer ein Zentimeter tiefen Rissverletzungen im Frontzahnbereich sowie Wangenhämatomen und Bissverletzungen. An einem Tag trat er den auf dem Rücken liegenden Jungen kräftig in den Bauch, sodass sich eine ca. 18 Zentimeter lange Dünndarmschlinge vom Darmgekröse abriss. Am darauffolgenden Tat verstarb der Junge. Das Landgericht Ellwangen lehnte einen Mord aus niedrigen Beweggründen ab und verurteilte den Angeklagten unter anderem wegen Totschlags.
Nach Auffassung des Bundesgerichtshofes hält die Verneinung des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe mit der vom Landgericht abgegebenen Begründung sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand. Demnach habe es gewichtige Umstände zu den vorangegangenen Misshandlungen des Jungen durch den Angeklagten bei der Bewertung rechtsfehlerhaft außer Betracht gelassen. Die festgestellte Gleichgültigkeit gegenüber den Befindlichkeiten des Kindes hätte in Bezug zu dem Tritt in den Bauch gesetzt werden müssen. Anschließend hätte erörtert werden müssen, ob und inwieweit sich daraus Rückschlüsse auf die bei der Tötung dominierenden Beweggründe ziehen lassen.
Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Strafverteidiger aus Berlin-Kreuzberg