Totschlag oder Mord?
Das Strafrecht kennt drei Vorsatzformen: dolus directus 1. Grades (Absicht), dolus directus 2. Grades (direkter Vorsatz) und dolus eventualis (bedingter Vorsatz).
Die Abgrenzung zwischen diesen Vorsatzformen kann in bestimmten Fällen besonders relevant werden. So auch bei der Feststellung des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe.
Mit der Wichtigkeit dieser Abgrenzung musste sich auch der Bundesgerichtshof (6 StR 320/21) in seinem Beschluss vom 8. März 2022 beschäftigen.
In dem, der Entscheidung des Bundesgerichtshofes zugrundeliegenden Sachverhalt drückte der Angeklagte oftmals die Wut über sein Stiefkind aus, welches seine Lebensgefährtin mit in die Beziehung brachte. Er schlug den Säugling bereits in der Vergangenheit mehrmals.
Als der Angeklagte mit seiner Lebensgefährtin einen Film anschaute, fing der Säugling aus dem Nebenzimmer an zu schreien. Nachdem die Beruhigungsversuche des Angeklagten keinen Erfolg hatten, entschloss er sich, die Atemwege des Kindes zu verdecken.
Nach etwa 3-5 Minuten erschlaffte der Körper des Säuglings und dieser verstarb.
Vom Landgericht Würzburg wurde der Angeklagte dafür wegen Totschlags verurteilt. Nach Auffassung des Landgerichts liegen bei der mit mindestens bedingtem Tötungsvorsatz ausgeführten Tat keine Mordmerkmale vor.
Der Bundesgerichtshof sieht die Beweiswürdigung vorliegend jedoch als lückenhaft an. Es muss genauer darauf eingegangen werden, ob die Wut in diesem Moment das führende Tatmotiv war, oder stattdessen die feindselige Grundhaltung zu dem Säugling, was einen niedrigen Beweggrund darstellen könnte.
Zudem muss eine mögliche Tötungsabsicht näher geprüft werden. Diese Feststellung ist zum einen für den Strafausspruch relevant, jedoch andererseits auch für die Ermittlung der Beweggründe. Der Bundesgerichtshof schließt es nicht aus, dass es bei der Annahme der Tötungsabsicht zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre, weshalb die Sache neuer Verhandlung bedarf.
Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Strafverteidiger aus Berlin-Kreuzberg