Überkleben eines Kfz-Kennzeichenschilds – Urkundenunterdrückung?
Die Urkundendelikte sind sehr praxisrelevant und gehören auch in Examensklausuren zu den absoluten Klassikern. Zumindest der Tatbestand der Urkundenfälschung sollte daher beherrscht werden. Aber auch die anderen Tatbestände, die der Urkundenfälschung in den §§ 267 ff. StGB folgen, sollten nicht vernachlässigt werden.
Insbesondere die Urkundenunterdrückung gemäß § 274 StGB wollen wir uns heute anschauen. In § 274 Abs. 1 StGB heißt es:
Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Urkunde oder eine technische Aufzeichnung, welche ihm überhaupt nicht oder nicht ausschließlich gehört, in der Absicht, einem anderen einen Nachteil zuzufügen, vernichtet, beschädigt oder unterdrückt.
Urkundenunterdrückung meint dabei die dauerhafte oder kurzfristige Beseitigung oder die Beeinträchtigung einer echten Urkunde als Beweismittel gegenüber dem Berechtigten.
Ob eine Urkundenunterdrückung im konkreten Fall gegeben ist, lässt sich nicht immer ohne weiteres festlegen.
In seinem Beschluss vom 28. Januar 2020 musste sich das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (3 Ss 350/19) damit beschäftigen, ob eine Urkundenunterdrückung vorliegt, wenn ein Angeklagter sein Kfz-Kennzeichen überklebt, um bei sog. Tankbetrügereien nicht als Täter überführt zu werden.
In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall hatte sich der Angeklagte dazu entschlossen, mehrmals bei verschiedenen Tankstellen zu tanken ohne dafür zu bezahlen. Ihm war dabei bewusst, dass die Tankstellen in der Regel über eine Videoüberwachung verfügen, weshalb er das Kennzeichen seines Fahrzeugs vor jeder Tatausführung mit gelber Folie und schwarzen Buchstaben überklebte, um so für Dritte den Anschein zu erwecken, das Fahrzeug sei im Ausland zugelassen.
Das OLG Frankfurt am Main führte in seiner Entscheidung aus, dass das Kfz-Kennzeichen zusammen mit dem Dienststempel der Zulassungsbehörde und dem Fahrzeug eine zusammengesetzte Urkunde bildet. Der Pkw-Halter habe bei amtlichen Kfz-Kennzeichen zudem kein ausschließliches Beweisführungsrecht, da er mit der Teilnahme am Straßenverkehr auf seine alleinige Verfügungsbefugnis verzichtet und die Benutzung der Urkunde zudem nicht allein im Interesse des Halters erfolgt.
Da der Angeklagte der beweisführungsberechtigten Behörde die Benutzung des Kfz-Kennzeichenschildes als Beweismittel jeweils für einen mehr als nur unerheblichen Zeitraum entzogen hat, habe er sich durch das Überkleben des Kfz-Kennzeichenschildes wegen Urkundenunterdrückung gemäß § 274 Abs. 1 Nr. 1 Var. 3 StGB strafbar gemacht.
Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Fachanwalt für Strafrecht in Berlin-Kreuzberg