Unwirksamer Eröffnungsbeschluss durch Landgericht im Revisionverfahren
Immer wieder kommt es vor, dass in einer Hauptverhandlung weitere Verfahren verbunden werden sollen, die bisher nicht durch Eröffnungsbeschluss zum Hauptverfahren zugelassen worden sind.
Vor dem Amtsgericht ist dies immer kein Problem, soweit der Angeklagte auf etwaige noch nicht abgelaufene Ladungsfristen verzichtet.
Bei erstinstanzlichen Verfahren vor dem Landgericht gilt es aber für das Gericht, eine revisionsrechtliche Klippe zu umschiffen. Nach § 76 Abs. 1 GVG ist eine große Strafkammer mit drei Berufsrichtern besetzt.
Mit der Eröffnung des Hauptverfahrens beschließt in der Regel die große Strafkammer gem. § 76 Abs. 2 GVG, dass sie in der Hauptverhandlung lediglich mit zwei Berufsrichtern besetzt ist.
Ausnahme: Schwurgerichtsanklage oder die Sache ist besonders umfangreich oder schwierig (siehe zur Zuständigkeit des Landgerichts einen älteren strafrechtsbloggerbeitrag)
Liegen diese Ausnahmevoraussetzungen nicht vor, sitzen in der Hauptverhandlung nur zwei Berufsrichter.
Nach § 203 StPO beschließt das „Gericht“ die Eröffnung des Hauptverfahrens. Zum Zeitpunkt der Eröffnung des Hauptverfahrens besteht somit das Gericht noch aus drei Berufsrichtern.
Wird nun die Eröffnung des Hauptverfahrens in der Hauptverhandlung lediglich von zwei Berufsrichtern beschlossen, war das Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt.
Bleibt nur noch die Frage zu klären, wie sich dieser Fehler im Revisionsverfahren auswirkt?
Es bestehen zwei Möglichkeiten.
Die erste wäre, Zurückverweisung an das Landgericht und Nachholung des Eröffnungsbeschlusses . Die zweite Möglichkeit wäre die Einstellung des Verfahrens.
Man glaubt es kaum, aber der BGH vertritt die Auffassung, dass das Verfahren aufgrund eines Verfahrenshindernisses einzustellen ist.
Wer nun glaubt, dass solche Fehler aufgrund der für den Angeklagten erfreulichen „Sanktion“ von Gerichten nicht begangen werden, der irrt.
In seiner Entscheidung vom 07.08.11 – 1 StR 388/11 – konnte der BGH wiedereinmal ein Verfahren wegen eines derartigen Verstoßes einstellen.
Dies bedeutet, dass man das Landgericht nicht auf den Verfahrensverstoß hinweisen, sondern vielmehr erwartungsfroh der Revision entgegensehen sollte.
Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Berlin
Es besteht tatsächlich die Gefahr einer erneuten Anklage, da es sich bei einer Einstellung im Revisionsverfahren, selbst wenn sie gem. § 260 Abs. 3 StPO im Urteil auszusprechen ist, lediglich um ein Prozessurteil handelt. Über die Sache wird durch den BGH nicht entschieden und deshalb greift der Strafklageverbrauch nicht ein.
Zu berücksichtigen ist aber, dass eine Revision durch einen Strafverteidiger in der Regel – abgesehen von anderen prozesstaktischen Überlegungen – nur eingelegt wird, wenn sein Mandant mit dem Urteil nicht zu frieden ist.
Sollte dann aufgrund der Verfahrenseinstellung erneut durch die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben werden, was aber nicht zwingend passieren muss, vergehen in der Regel wenistens Monate. Die Verfahrensdauer ist, unabhängig von der konkreten Einordnung, ein anerkannter „Strafzumessungsgesichtspunkt“. Deshalb führt in der Regel ein erheblicher Zeitablauf auch zu einer geringeren Sanktion.
Wenn der Mandant also mit dem Urteil nicht zufrieden war, kann allein dieser Verfahrensfehler dazu führen, dass er letztlich eine geringere Strafe erhält.
In der zitierten Entscheidung gehe ich davon aus, dass nicht erneut Anklage durch die Staatsanwaltschaft bezüglich der eingestellten Anklagepunkte erfolgen wird.
Dann sollten Sie aber mit Ihrem Mandanten geklärt haben, dass das nur bedeutet, dass er in ein paar Monaten wieder hier sitzt (aufgrund neuer Anklage hinsichtlich des eingestellten Punkts).