Verbreitung von Kinder- und Jugendpornografie im Internet: Bandenabrede durch Beitritt zu einem anonymen Forum?

Das Internet und insbesondere das Darknet bieten zahlreiche Möglichkeiten des anonymen Austauschs. Allerdings bleibt nicht alles, was dort geschieht, auch ohne strafrechtliche Konsequenzen. Viele Nutzer unterschätzen die rechtlichen Risiken, die mit der Teilnahme an bestimmten Foren verbunden sind. Besonders im Bereich der §§ 184b, 184c Strafgesetzbuch (StGB), die den Umgang mit kinder- und jugendpornografischen Inhalten unter Strafe stellen, drohen erhebliche Konsequenzen.

Während die Verbreitung, der Erwerb und der Besitz solcher Dateien nach § 184b Abs. 1 StGB mit Freiheitsstrafen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bzw. nach § 184c Abs. 1 StGB mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe geahndet werden können, sieht das Gesetz in §§ 184b Abs. 2, 184c Abs. 2 StGB für die bandenmäßige Begehung jeweils höhere Strafen vor. So gibt der § 184b Abs. 2 StGB eine Mindeststrafe von zwei Jahren und der § 184c Abs. 2 StGB eine Mindeststrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren vor.

Doch wann handelt ein Täter im digitalen Raum als Mitglied einer Bande im Sinne der §§ 184b Abs. 2, 184c Abs. 2 StGB? Mit genau dieser Frage musste sich der Bundesgerichtshofs (BGH) in seinem Beschluss vom 14. November 2023 (Az. 6 StR 449/23) befassen. In dem Fall ging es um einen Mann, der sich bei einem über das TOR-Netzwerk erreichbaren Internet-Forum registriert hatte, das zum Austausch kinder- und jugendpornografischer Bild- und Videodateien genutzt wurde. Die Plattform hatte etwa 245.000 Mitglieder. Der Mann hatte dort einen Nutzername erstellt und ein Passwort hinterlegt sowie die durch die Administratoren festgelegten „Forenregeln“ akzeptiert. Sodann hatte er in dem Internetforum entsprechende Inhalte selbst gepostet und im Gegenzug von anderen Forumsmitgliedern ähnliche Dateien erhalten.

Durch das Landgericht Hannover war er deshalb wegen „bandenmäßiger Verbreitung kinderpornographischer Inhalte in vier Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit tateinheitlichem Besitz kinder- und jugendpornographischer Inhalte, und wegen bandenmäßiger Verbreitung jugendpornographischer Inhalte“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt worden. Sein Urteil hatte das Landgericht damit begründet, dass sich der Mann mit seiner Anmeldung in dem Internetforum und der Akzeptanz der Forenregeln der bereits bestehenden Bande angeschlossen habe. Ausführungen zu der Frage, wie sich die Anonymität der Nutzer innerhalb des Internetforums auswirkt, hat das Landgericht dabei nicht gemacht. 

Der Angeklagte war mit dem Urteil nicht einverstanden und legte Revision ein – jedoch ohne Erfolg.

Ausweislich der Ausführungen des BGH bestimme sich die Frage, ob jemand Mitglied einer Bande ist, nach der deliktischen Vereinbarung, der sogenannten Bandenabrede. Bandenmäßig im Sinne der §§ 184b Abs. 2, 184c Abs. 2 StGB handele, wer einem zum Zwecke des Austausches kinder- und jugendpornografischer Inhalte betriebenen zugangsbeschränkten Internetforum beitritt und entsprechend den hierfür aufgestellten Regeln zugleich (konkludent), hierüber fortan einen wiederholten Tauschhandel mit anderen registrierten Nutzern zu betreiben.

Im vorliegenden Fall sei dem Angeklagten zwar keine Herrschaft über die Struktur des Forums, dessen technischen Abläufe und organisatorischen Zugangsvorkehrungen zugekommen, er habe sich diesem aber in dem Wissen angeschlossen, dass er die für den bezweckten Tauschhandel zugelassenen Dateien in das Netzwerk mit weiteren Nutzern einbringen würde. Dies sei für die Annahme eines Bandenbeitritts ausreichend.

Ob sich die Bandenmitglieder untereinander zumindest teilweise persönlich kannten, sei für die Beurteilung nicht relevant. Eine Bandenabrede sei vielmehr auch zwischen Personen möglich, die sämtlich einander nicht näher kennen, sondern unter Pseudonymen und Decknamen im virtuellen Raum des Internets miteinander handeln.

Die strafschärfende Wirkung der §§ 184b Abs. 2, 184c Abs. 2 StGB liege gerade in der abstrakten Gefährlichkeit der Bandenabrede, die aus der engen Bindung folgt, welche die Mitglieder für die Zukunft und für eine gewisse Dauer eingehen und die einen ständigen Anreiz zur Fortsetzung der kriminellen Tätigkeit bilde. Eine Organisationsgefahr sei auch dann für ein Internet-Forum anzunehmen, wenn sich die Mitglieder sämtlich nicht persönlich bekannt sind und sie ihre Absprache im virtuellen Raum unter Verwendung von Pseudonymen vornehmen. Die gegenüber der Tatbegehung durch Einzel- oder Mittäter merklich erhöhte Gefährlichkeit begründe sich hier insbesondere durch den über das Internet möglichen weltweiten Tauschhandel und die von den Bandenmitgliedern zugleich unterhaltene Marktstruktur.

Der Beschluss des BGH zeigt, dass die strafrechtlichen Hürden für eine bandenmäßige Begehung im digitalen Raum niedriger sind, als viele Betroffene annehmen. Schon die bloße Mitgliedschaft in einem Forum und die Nutzung von dessen Strukturen kann ausreichen, um als Teil einer Bande im Sinne der §§ 184b Abs. 2, 184c Abs. 2 StGB gewertet zu werden – selbst ohne eine persönliche Absprache mit den anderen Nutzern.

Wie eingangs erläutert, kann dies zu drastischen strafrechtlichen Konsequenzen führen, insbesondere zu hohen Freiheitsstrafen. Gerade in diesem sensiblen Bereich ist eine fundierte Strafverteidigung entscheidend, um voreilige Verurteilungen zu verhindern und die individuelle Rolle eines Beschuldigten differenziert zu betrachten. Wer mit entsprechenden Vorwürfen konfrontiert ist, sollte sich daher frühzeitig an einen erfahrenen Strafverteidiger wenden.  

Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Strafverteidiger in Berlin-Kreuzberg

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