Verkehrssicherungspflichten eines Teichs 

Strafrechtlich sanktionierte Sicherungspflichten des Eigentümers enden nicht erst dort, wo den Eltern eine grobe Aufsichtspflichtverletzung vorzuwerfen ist. Dennoch kann nach feststehender BGH-Rechtsprechung eine pflichtwidrige Unterlassung von Sicherungspflichten grundsätzlich nur angenommen werden, wenn der strafrechtlich relevante Erfolg bei pflichtgemäßem Handeln mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eingetreten wäre.

Hat sich der angeklagte ehemalige Bürgermeister wegen fahrlässiger Tötung in drei tateinheitlichen Fällen strafbar gemacht, indem er einen Teich der Gemeinde nicht ausreichend sicherte? Mit diesem Revisionsfall beschäftigte sich das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. (Urt. v. 27.11.2023 – 3 Ors 23/23).

Zum Sachverhalt

Am Abend des 18. Juni 2016 ereignete es sich, dass sich drei unter zehnjährige Kinder ohne Aufsicht eines Erwachsenen am Westufer des Teichgeländes aufhielten und bei dem Versuch ein Geschwisterkind zu retten alle ertranken. Aufgrund einer nach einem Umbau bestehenden Uferbeschaffenheit konnten sie aus eigener Kraft nicht mehr an Land gelangen.

Vorinstanz

Das Landgericht Marbach hat einen Verstoß des Angeklagten gegen eine ihn persönlich treffende, nicht delegierte Verkehrssicherungspflicht durch Unterlassen angenommen sowie einen Zurechnungszusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und dem Taterfolg, welcher nicht durch eine Aufsichtspflichtverletzung der Eltern unterbrochen worden wäre, gesehen. Durch weitergehende Sicherungsmaßnahmen am Teich hätte der Tod der Kinder verhindert werden können. Der Angeklagte hätte erkennen können, dass die Teichbeschaffenheit und die des Westuferstreifens um den Metallsteg für Personen, insbesondere Kinder, sehr gefährlich gewesen ist.

Freispruch des Angeklagten durch das Oberlandesgericht

Die frist- und formgerechte eingelegte Revision des Angeklagten hatte mit der Sachrüge Erfolg und führte zum Freispruch des Angeklagten.

Dem Angeklagten einen Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht vorzuwerfen, überzeuge letztlich nicht, da nicht belegt werden könne, dass gewisse gefahrbegrenzende Maßnahmen, deren Unterlassen dem Angeklagten zum Vorwurf gemacht wurden, den Tod der Kinder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verhindert hätte. Maßnahmen, die der Angeklagte möglicherweise hätte ergreifen müssen, hätte das Risiko für die Kinder verringern können, es könne jedoch nicht geklärt werden, ob diese den Tod der Kinder verhindert hätten.

Im Ausgangspunkt sei darauf abzustellen, dass wer eine gefährliche Einrichtung unterhält, dazu verpflichtet ist, schützende Vorkehrungen zu treffen und Gefahr für Dritte abzuwenden (Überwachungsgarant). Der Grad der Gefahr bestimme dabei den Umfang der Erfolgsabwendungspflicht. Dieser Umfang werde allerdings durch das „allgemeine Lebensrisiko“ begrenzt, vor welcher auch ein Verkehrssicherungspflichtiger, Dritte nicht schützen müsse. Somit müsse nicht jeder abstrakten Gefahr mit vorbeugenden Maßnahmen begegnet werden, vielmehr brauche es nur Sicherungsmaßnahmen, die ein verständiger und umsichtiger vernünftig vorichtiger Mensch für ausreichend halte, um Dritte vor Schäden zu bewahren und die ihm den Umständen nach zumutbar wären.

Die dem Eigentümer strafrechtlichen Verkehrssicherungspflichten unterliege hier aber, da es sich im vorliegenden Fall um naturnahe Gefahren handelt. Spezialgesetzliche Regelungen fehlen hier jedoch, sodass auch nach Auffassung des Senats der Maßstab eines „verständigen und umsichtigen Menschen“ heranzuziehen sei. Dabei wird auch auf die zivilrechtliche Rechtsprechung verwiesen. 

Somit führen bauliche Eingriffe in die Natur auch dann, wenn sie Gefahr für Kinder erhöhen, nicht unbedingt dazu, dass alle Sicherungsmaßnahmen ergriffen werden müssen, um Gefahren von unbeaufsichtigten Kindern sicher abzuwenden. Gerade bei vier bis zehnjährigen Kindern müsse eine Abwägung vorgenommen werden, welche Maßnahmen dem Verkehrssicherungspflichtigem zuzumuten sind und welche Aufsichtspflicht den Eltern zukomme. Letztlich müsse eine Abwägung vorgenommen werden, wobei zu erwähnen ist, dass es auch bedauerliche Unglücksfälle geben könne, denen ein Restrisiko zugrunde liege und bei denen weder der verkehrssicherungspflichtigen Person noch den Eltern ein strafrechtlicher Vorwurf zu machen wäre. Im allgemeinem Sprachgebrauch wird dies dem „allgemeinem Lebensrisiko“ zugeordnet. Letztlich muss in jedem Fall eine umfassende Einzelfallabwägung vorgenommen werden.

Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Strafverteidiger aus Berlin-Kreuzberg

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