Verlegung des NSU-Prozesses in einen anderen Saal
Am Dienstag fand der zweite Verhandlungstag im NSU-Prozess statt, bei dem eine Reihe von weiteren Anträgen gestellt wurden bis letztendlich die Anklage verlesen werden konnte. Einen dieser Anträge stellte die Verteidigung von Beate Zschäpe, die forderte, die Hauptverhandlung in einem größeren Saal neu zu beginnen. Dies wärde notwendig, weil die beschränkte Kapazität des derzeitigen Saales den Grundsatz der Öffentlichkeit verletze. Der Sitzungssaal hat 51 Plätzen für Zuschauer und 50 Plätzen für Pressevertreter, wodurch nach Ansicht der Verteidigung die Öffentlichkeit nicht in erforderlichem Maße hergestellt werde.
Das Münchner Oberlandesgericht hatte die Verlegung des Prozesses in einen größeren Saal schon vor Beginn des Prozesses und auch am zweiten Verhandlungstag erneut mit der Begründung abgelehnt, der Grundsatz der Öffentlichkeit bedeute nicht, dass jedermann Zutritt zum Prozess gewährt werden müsse. Außerdem finde der Strafprozess zwar in, aber nicht für die Öffentlichkeit statt.
Was besagt der Grundsatz der Öffentlichkeit?
Der Grundsatz der Öffentlichkeit ist in § 169 GVG geregelt und besagt, dass grundsätzlich jede Person die Möglichkeit haben muss von der Durchführung einer Hauptverhandlung Kenntnis zu erlangen und an dieser teilnehmen zu können. Dies bedeutet aber nicht, dass jeder das Recht hat am Prozess teilzunehmen, da dieser vorrangig dem Informationsinteresse der Allgemeinheit dient. Aufgrund räumlicher Beschränkungen kommt es immer wieder vor, dass mehr Zuschauer als Plätze vorhanden sind. In einer solchen Situation sind die Sitzplätze entsprechend der Reihenfolge des Erscheinens zu verteilen. Aufgrund der Bedeutung der Presse dürfen aber Plätze für die Presse freigehalten werden.
Muss das Gericht bei großem Andrang mehr Plätze zur Verfügung stellen?
Die Möglichkeit, an einer Hauptverhandlung teilzunehmen, muss nur in den zur Verfügung stehenden räumlichen Kapazitäten gewährt werden. Demnach ist das Gericht zwar berechtigt, aber nicht verpflichtet, für die Hauptverhandlung einen größeren Sitzungssaal bereitzustellen. Der Umzug in eine Räumlichkeit außerhalb des Gerichts wird, wie auch die Lautsprecher- oder Videoübertragung in einen anderen Raum, unter Berufung auf die Menschenwürde der Verfahrensbeteiligten überwiegend abgelehnt. Schließlich würde eine Öffentlichkeitserweiterung über den Gerichtssaal hinaus den Angeklagten zu einem Schauobjekt degradieren.
Da der NSU-Prozess im größten Sitzungssaal des OLG stattfindet, wäre die Bereitstellung eines größeren Saales zumindest in den Räumlichkeiten des Gerichts nicht möglich gewesen. Auch eine Verlegung des Verfahrens in eine andere Stadt, wie beispielsweise die von der Verteidigung vorgeschlagene Verlegung nach Bonn, steht im alleinigen Ermessen des Gerichts.
Des Weiteren kann das Gericht den Zugang zur Verhandlung nach § 176 GVG beschränken. Denn bei der Entscheidung über die räumlichen Kapazitäten muss neben dem Interesse möglicher Zuhörer auch die Notwendigkeit einer geordneten und ungestörten Durchführung der Hauptverhandlung berücksichtigt werden. Demnach ist es möglich, Presse und Zuhörerplätze zu begrenzen, wenn dies zur Aufrechterhaltung der äußeren Ordnung der Verhandlung erforderlich ist.
Was passiert, wenn das Gericht den Grundsatz der Öffentlichkeit verletzt?
Verstößt das Gericht zurechenbar gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit, so stellt dies einen absoluten Revisionsgrund nach § 338 Nr. 6 StPO dar.