Versuchsbeginn beim Diebstahl
Der Versuch begegnet einem in strafrechtlichen Klausuren sowie in der Praxis gewiss immer wieder. Insbesondere die Abgrenzung der Versuchsstrafbarkeit zur Vorbereitungshandlung ergründet dabei immer wieder Probleme, da nicht jede Vorbereitungshandlung einer Straftat unter die Versuchsstrafbarkeit fällt.
Gemäß § 22 StGB versucht eine Straftat, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt. Die Problematik des Bestimmens dieses Zeitpunkts, wann genau man zu einer Tat unmittelbar ansetzt, wurde vom Bundesgerichtshof in diversen Urteilen veranschaulicht. Dementsprechend muss der Täter aus eigener subjektiver Sicht die Schwelle zum „Jetzt geht’s los“ überschritten haben, sodass die eigene Handlung ohne weitere wesentliche Zwischenschritte in den Taterfolg mündet, das Rechtsgut mithin bereits konkret gefährdet erscheint.
Für den Versuchsbeginn beim Diebstahl reicht regelmäßig ein Angriff auf einen gewahrsamssichernden Schutzmechanismus aus, wenn sich für den Fall von dessen Überwindung der Täter nach seinem Tatplan ohne tatbestandsfremde Zwischenschritte, zeitliche Zäsur oder weitere eigenständige Willensbildung einen ungehinderten Zugriff auf die erwartete Beute vorstellt.
Mit Beschluss vom 10. Juni 2020 (5 StR 635/19) hat der Bundesgerichtshof festgestellt, dass ein Versuchsbeginn regelmäßig bereits vorliegt, wenn das Bedienteil eines Geldautomaten aufgehebelt wird, um den Geldautomaten anschließend unter Einleitung eines Gasgemisches durch eine Explosion zu zerstören und das Geld zu entnehmen.
In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt wollten die Angeklagten Geldautomaten aufsprengen und sich das darin erwartete Bargeld verschaffen. Hierzu wollten sie die Automaten jeweils am Bedienteil mit Stemmeisen aufbrechen, um anschließend durch diese Öffnung ein Gemisch aus brennbarem Gas und Sauerstoff einzuleiten und dieses mittels eines eingeführten elektrischen Zünders zur Explosion bringen. Hierzu besorgten sie sich die notwendigen Utensilien, die sie bei den nachfolgenden Taten in dem von ihnen zum Aufsuchen der Tatorte genutzten Fahrzeug mit sich führten.
Die Angeklagten hebelten zwei Geldautomaten sowie einen Kontoauszugdrucker mit einem Stemmeisen auf und brachen Teile einer den Geldautomaten umschließenden Wand auf. In allen Fällen brachen die Angeklagten ihr Vorhaben wieder ab, als sie feststellten, dass das Einleiten des Gases nicht möglich war, der Geldautomat sich nicht für eine Sprengung eignete, das Öffnen des Bedienteils ihnen nicht gelang oder es sich um einen Drucker handelte.
Das Landgericht hat die Angeklagten in vier Fällen des versuchten Diebstahls mit Waffen in Tateinheit mit Vorbereitung eines Explosionsverbrechens und mit Verabredung zur Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion sowie in einem weiteren Fall der Vorbereitung eines Explosionsverbrechens schuldig gesprochen.
Diesem Urteil schloss sich der Bundesgerichtshof an.
Der Annahme des unmittelbaren Ansetzens zur Verwirklichung des Diebstahlstatbestandes steht der Umstand, dass es für einen Gewahrsamsbruch noch der Einleitung des Gasgemisches und dessen Zündung als weiterer essentieller Zwischenschritte bedurft hätte, nicht entgegen. Denn diese dem Gewahrsamsbruch vorgelagerten und seine Verwirklichung erst ermöglichenden Teilakte des Gesamtgeschehens erscheinen nach dem Tatplan wegen ihrer notwendigen Zusammengehörigkeit und wegen des engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhangs mit der eigentlichen Tathandlung als deren Bestandteil und bilden mit ihr eine natürliche Einheit. Der Tatplan der Angeklagten sah einen nach dem ersten Angriff auf die Gehäuse der Automaten erst noch zu treffenden eigenständigen Entschluss oder eine sonstige zeitliche Zäsur nicht vor.
Nebstdem bestimmt sich der Versuchsbeginn stets tatbestandsbezogen. Inwiefern der Täter schon zu der Rechtsverletzung angesetzt hat, die für den in Betracht kommenden Straftatbestand maßgeblich ist, hängt dabei von seiner Vorstellung über das unmittelbare Einmünden seiner Handlungen in die Erfolgsverwirklichung ab. Mithin können bei tateinheitlich begangenen Delikten (im vorliegenden Fall: Vorbereitung eines Explosionsverbrechens (§ 310 I Nr. 2 StGB) und Diebstahl mit Waffen (§ 244 I Nr. 1a StGB)) die Zeitpunkte eines Versuchsbeginns auseinanderfallen.
Der Bundesgerichtshof zog daher den Schluss, dass die Angeklagten vorliegend in vier Fällen unmittelbar zur Verwirklichung des Diebstahls angesetzt haben.
Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Fachanwalt für Strafrecht aus Berlin-Kreuzberg