Versuchter Mord durch Zusteuern auf Polizisten?
Im Strafrecht ist unter Umständen auch der Versuch einer Straftat strafbar. § 23 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) regelt, dass der Versuch eines Verbrechens stets strafbar ist und der Versuch eines Vergehens nur dann unter Strafe steht, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt. Verbrechen sind nach § 12 Abs. 1 StGB jene rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht sind.
Damit eine Strafbarkeit wegen Versuches in Betracht kommt, darf die Tat nicht vollendet sein. Das ist dann der Fall, wenn ein Teil des objektiven Tatbestandes nicht erfüllt ist. Außerdem muss ein Tatentschluss vorliegen. Dieser umfasst den auf alle objektiven Tatbestandsmerkmale gerichteten Vorsatz und die sonstigen subjektiven Tatbestandsmerkmale. Zuletzt muss es zum unmittelbaren Ansetzen kommen.
Auch Totschlag bzw. Mord stellen Verbrechen dar, sodass wegen Versuches bestraft werden kann. Ob sich der Angeklagte im hiesigen Fall wegen versuchten Mordes strafbar gemacht hat, musste auch der Bundesgerichtshof (4 StR 170/23) in seinem Beschluss vom 5. Dezember 2023 entscheiden. Der Angeklagte, der zuvor Koks konsumiert hatte, befuhr mit dem Auto die BAB 6. Als ihn Polizeibeamte aufgrund deutlich erhöhter Geschwindigkeit bemerkten und einer Verkehrskontrolle unterziehen wollten, entschloss sich der Angeklagte, sich dieser aus Angst vor Drogentests zu entziehen.
Auf seiner Flucht verletzte er mehrere Polizeibeamte. Als er bei einer weiteren von der Polizei aufgestellten Straßensperrung angelangt war, wich er dieser aus und erwischte dabei fast einen Polizeibeamten mit dem Auto. Das Landgericht Saarbrücken verurteilte den Angeklagten diesbezüglich unter anderem wegen versuchten Mordes.
Dem stimmt der BGH jedoch nicht zu. Der Bundesgerichtshof führt aus, dass die Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes rechtlicher Überprüfung nicht standhält. So hätte das Landgericht die Auswirkungen des Kokskonsums auch im Hinblick auf das voluntative Vorsatzelement erörtern müssen, um zu prüfen, ob der Angeklagte seine Fähigkeit zur Vermeidung einer Kollision überschätzte. Außerdem war das Landgericht der Auffassung, dass nichts dafür spreche, dass der Angeklagte darauf gehofft oder vertraut habe, dass der Polizeibeamte rechtzeitig zur Seite springe. Dem entgegen der BGH, dass Polizeibeamte erfahrungsgemäß Kraftfahrern ausweichen, die eine Polizeisperre durchbrechen wollen. Auch die Vorerfahrungen der vorangegangenen Straßensperrungen, bei denen die Beamten die Fahrbahn letztlich freigegeben hatten, könnten dafür sprechen, dass der Angeklagte nicht mit einer Kollision rechnete.
Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Strafverteidiger aus Berlin-Kreuzberg