Verurteilung eines Rechtsanwalts – müssen berufliche Nachteile strafmildernd berücksichtigt werden?
In der juristischen Ausbildung beschäftigt man sich mit der Thematik der Strafzumessung freilich oft nicht in die Tiefe. Gleichwohl kommt der Strafzumessung in der Praxis eine höchst signifikante Rolle zu.
Im Rahmen der Strafzumessung hat das Gericht zu entscheiden, ob strafmildernde oder straferschwerende Gründe vorliegen. Hierbei sind die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, zu berücksichtigen.
Dabei hat das Gericht die beruflichen Nebenwirkungen einer strafrechtlichen Verurteilung auf das Leben eines Angeklagten jedenfalls dann als bestimmenden Strafzumessungsgrund ausdrücklich anzuführen, wenn dieser durch sie seine berufliche oder wirtschaftliche Basis verliert.
Wird ein Anwalt wegen eines Aussagedelikts verurteilt, ist es wahrscheinlich, dass ihm eine Ausschließung aus der Rechtsanwaltschaft (§§ 113 Abs. 1, 114 Abs. 1 Nr. 5 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO)) – mithin also der Verlust seiner beruflichen oder wirtschaftlichen Basis – droht, da Aussagedelikte einen besonders schweren Verstoß gegen die Kernpflicht anwaltlicher Tätigkeit darstellen.
Will das Gericht einen Anwalt also wegen eines Aussagedelikts verurteilen, muss es sich insofern mit diesem Aspekt im Rahmen seiner Strafzumessung auseinandersetzen und gegebenenfalls strafmildernd berücksichtigen.
Dies stellte der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 8. März 2022 (3 StR 398/21) klar. Der Angeklagte, ein Anwalt, war hier wegen Anstiftung zur uneidlichen Falschaussage in Tateinheit mit Strafvereitelung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt worden, wobei die Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Bei der Strafzumessung hatte sich das Landgericht lediglich mit der Frage eines Berufsverbots nach § 70 Strafgesetzbuch (StGB) befasst und dessen Verhängung abgelehnt.
Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs hätte die Vorinstanz aber vor dem Hintergrund des drohenden Ausschlusses aus der Anwaltschaft auch die erheblichen Auswirkungen einer Verurteilung auf den Berufsweg des Anwalts berücksichtigen müssen.
Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Fachanwalt für Strafrecht aus Berlin-Kreuzberg