Verwertbarkeit der Angaben aus einer ermittlungsrichterlichen Vernehmung einer Zeugin
In einem Strafverfahren kann eine Zeugenaussage ein äußerst signifikantes Beweismittel sein. So kann ein Zeuge für eine Aussage vorgeladen werden; ein Zeuge kann aber auch von sich aus zur Polizei gehen und eine Aussage machen.
Im Rahmen einer richterlichen Vernehmung eines Zeugen gem. § 168c Abs. 2 Satz 1 StPO ist der Staatsanwaltschaft, dem Beschuldigten und dem Verteidiger grundsätzlich die Anwesenheit gestattet und sie sind gem. Abs. 5 hierrüber vorher zu benachrichtigen.
In seinem Beschluss vom 24. Juni 2021 musste sich der Bundesgerichtshof (5 StR 67/21) mit der Frage befassen, ob die Aussage einer Zeugin in einem Strafverfahren rechtsfehlerhaft verwendet wurde.
In dem, dem Beschluss des Bundesgerichtshofes zugrundeliegenden Sachverhalt ging es um den Diebstahl eines außergewöhnlich wertvollen Goldmünzenexponats aus dem Berliner Bode-Museum.
Das Landgericht verurteilte die beiden Angeklagten sowie einen Mitangeklagten zu mehrjährigen Jugendstrafen. Die Angeklagten legten hiergegen Revisionen ein. Einer der Angeklagten rügte, dass die Aussage einer Zeugin zu seinen Lasten verwertet wurde.
Die ehemalige Freundin von einem der Angeklagten meldete sich während laufender Hauptverhandlung zwischen zwei Hauptverhandlungstagen an einem Samstag bei der Polizei für eine Aussage. Im Rahmen einer Vernehmung wegen häuslicher Gewalt machte sie Angaben dazu, dass der Angeklagte sich ihr gegenüber damit gebrüstet haben soll, am Diebstahl der Goldmünze beteiligt gewesen zu sein. Daraufhin wurde eine richterliche Vernehmung der Zeugin beantragt, in der die Zeugin den Angeklagten erheblich belastete. Die Benachrichtigung des Angeklagten und des Verteidigers von der Zeugenvernehmung unterblieb gem. § 168c Abs. 5 Satz 2 StPO wegen Gefährdung des Untersuchungszwecks, um eine Beeinflussung der Zeugin durch den Angeklagten und dessen Familie zu verhindern.
Nach Auffassung des Bundesgerichtshofes könne dahinstehen, ob sich dieses Vorgehen als rechtsfehlerhaft darstellt. Ein Verstoß gegen die Zuständigkeitsbestimmungen des Ermittlungsrichters gem. § 162 Abs. 3 S. 1 StPO zieht kein Beweisverwertungsverbot nach sich, wenn eine polizeiliche Vernehmung der von sich aus aussagebereiten und insoweit gleichermaßen zur Wahrheit verpflichteten Zeugin ohne weiteres möglich war und damit der Vernehmungsinhalt hypothetisch auch auf diese Wiese hätte erlangt werden können.
Nebstdem dürfen richterliche Vernehmungen, die wegen eines Verstoßes gegen § 168c StPO rechtsfehlerhaft zustande gekommen sind, als nichtrichterliche Vernehmungen in die Hauptverhandlung eingeführt werden. Hier sind unter Beachtung der §§ 250 ff. StPO die Verlesung der Vernehmungsprotokolle und die Zeugenaussage der Vernehmungspersonen über den Inhalt der Vernehmung möglich. Mithin hat der Bundesgerichtshof die eingelegten Revisionen verworfen.
Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Strafverteidiger aus Berlin-Kreuzberg