Visionen im Tatort – Ermittlungspflicht für die Polizei? Vielleicht.
Ein Gastbeitrag von Tobias Kreher*
Es wird vielleicht der letzte Fall von Kommissar Felix Stark (Boris Aljinovic) sein, den er am 16. November 2014 lösen musste. Und der verlangt von ihm, sich zu entscheiden.
Eine norwegische Studentin namens Trude Thorvaldsen (Olsen Lise Risom) erscheint auf dem Präsidium und erzählt von ihren Visionen. Die junge Frau hat geträumt, dass eine andere Studentin von einem rothaarigen Mann mit Latzhose ermordet wird. Stark tut das zunächst als Spinnerei ab. Einige Wochen später ist die andere Studentin tatsächlich tot. Alles ist so, wie es Trude vorhergesagt hat.
Während die Ermittlungen zum Mord an der Studentin laufen, erzählt Trude von einem neuen Traum. Sie hat darin zwei Personen gesehen, die in einem Restaurant erschossen werden.
Ohne lang zu überlegen richtet Stark nun an seine Kollegen: „Wir müssen das ernst nehmen“. Die Polizisten versuchen daraufhin, Restaurants ausfindig zu machen, die auf Trudes Beschreibung passen.
Doch müssen die Ermittlungsbehörden derart dubiosen Hinweisen überhaupt nachgehen? Der erfahrene Kommissar Stark hat nach eigener Aussage nämlich schon oft genug Verrückte auf dem Revier erlebt, die viele wirre Dinge erzählen.
Allerdings gibt die Strafprozessordnung vor, wann Ermittlungen eingeleitet werden sollen. In § 152 Abs. 2 StPO heißt es:
Sie [die Staatsanwaltschaft] ist, soweit nicht gesetzlich ein anderes bestimmt ist, verpflichtet, wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen.
Diese gesetzliche Vorgabe wird als Legalitätsprinzip bezeichnet. Sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, muss die Staatsanwaltschaft also ermitteln bzw. deren Ermittlungspersonen, also die Polizei.
Für die Ermittler ist es im Alltag aber oft schwierig zwischen frei erfundenen und tatsächlich zutreffenden Aussagen zu unterscheiden. Sie müssen daher prüfen, ob überhaupt ein Anfangsverdacht besteht. Ein solcher ist im Allgemeinen gegeben, wenn es möglich erscheint, dass eine verfolgbare Straftat vorliegt und dass der Täter wiederum – falls dieser identifiziert wird – strafrechtlich verurteilt wird. Die Polizisten müssen sich bei dieser Beurteilung gezwungenermaßen auf ihre kriminalistische Erfahrung verlassen. Bloße Vermutungen reichen für einen Anfangsverdacht nicht aus. Es müssen schon nachvollziehbare Hinweise vorliegen, auch wenn diese zunächst nur Indizien sind.
Spätestens nach der Bestätigung von Trudes erstem Traum muss die Polizei im Tatort diese Visionen aber ernst nehmen. Mit dem Fund der Leiche der ermordeten Studentin sind in diesem Fall genug zureichende Anhaltspunkte vorhanden, um ermitteln zu müssen.
Dass die nachfolgenden Träume Trudes sich noch nicht verwirklicht haben, hindert außerdem weitergehende Ermittlungen nicht. Die Polizei soll nämlich auch präventiv tätig werden, um drohende Gefahren abzuwehren und weitere Straftaten zu verhüten, vgl. § 1 ASOG Bln.
Letztendlich bestimmt die Begegnung mit der jungen Norwegerin auch das eigene Schicksal von Kommissar Felix Stark. Trude träumt, dass Stark auf dem Boden liegt und Blut fließt. Daraufhin kündigt der Ermittler das Ende seiner Dienstzeit an. Noch vor Einbruch der Dunkelheit wird Stark angeschossen. Auf die Frage, ob er denn überleben werde, antwortet der operierende Arzt nur: Vielleicht.
*Tobias Kreher studiert Rechtswissenschaft in Berlin
2 Antworten
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