Vorfristiges „Weihnachtsgeschenk“: Bundeskabinett will Fahrverbot als Nebenstrafe für alle Straftaten einführen
Gestern Abend beschloss das Bundeskabinett laut Pressemitteilung des BMJV, dass künftig bei allen Straftaten ein Fahrverbot als Nebenstrafe verhängt werden kann.
Heiko Maas lässt sich folgendermaßen zitieren:
Die Öffnung des Fahrverbots für alle Straftaten erweitert die Möglichkeiten strafrechtlicher Sanktionen. Dadurch geben wir den Strafgerichten ein zusätzliches Mittel an die Hand, um zielgenau, spürbar und schuldangemessen auf den Täter einzuwirken.
Bislang kann ein Fahrverbot gemäß § 44 StGB nur dann verhängt werden, wenn jemand „wegen einer Straftat, die er bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, zu einer Freiheitsstrafe oder einer Geldstrafe verurteilt wird.“ Es ist in der Regel anzuordnen, wenn in den Fällen einer Verurteilung nach § 315c Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a, Abs. 3 oder § 316 die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 unterbleibt.
Die Ausweitung auch auf Straftaten ohne Bezug zum Straßenverkehr wäre ein ordentlicher Rückschritt in der Entwicklung der Strafarten hin zum dualen System aus Geldstrafe/Freiheitsstrafe, die beide aufgrund des Tagessatzsystems miteinander verrechenbar sind.
Wir sind sehr gespannt,
a) wie die Gerichte, sollte der Bundestag den Entwurf beschließen, von der neuen Strafmöglichkeit Gebrauch machen werden.
b) welche weiteren kreativen Nebenstrafen im Justizministerium demnächst erdacht werden. Wir haben Anregungen:
– Verbot, in einem Zeitraum von drei konsekutiven Jahren keinen Geburtstag zu feiern
– Verbot, in einem Zeitraum von zwei Jahren an betrieblichen Weihnachtsfeiern teilzunehmen
– Verbot, in einem Zeitraum von einem Jahr keine Discounter zu betreten.
Spaß beiseite: Die Einführung des Fahrverbots als Nebenstrafe ist ungerecht. Während die im Regelfall ausgesprochene Geldstrafe aufgrund des Tagessatzsystems allen Beschuldigten einen ihrem wirtschaftlichen Vermögen entsprechenden Nachteil zufügen (Nettoeinkommen eines Tages multipliziert mit der verwirklichten Schuld in Tagen = Geldstrafe), trifft das Fahrverbot als Nebenstrafe diejenigen, die auf ihren Pkw angewiesen sind um bspw. zur Arbeit zu kommen, gleichzeitig aber nicht über die Mittel für ein Taxi oder einen anderen Fahrdienst verfügen, deutlich härter als jene, die sich entweder eine Alternative leisten können bzw. die nicht täglich mobil sein müssen.
Stellen wir uns zwei Angeklagte vor, die gemeinschaftlich eine Straftat begehen. Einer hat eine Fahrerlaubnis und braucht diese auch, um täglich zur Arbeit zu kommen, weil er im Berliner Speckgürtel wohnt. Der andere ist Informatiker und arbeitet von zu Hause.
Erhält der eine neben einer Geldstrafe ein mehrmonatiges Fahrverbot, muss er für seinen Arbeitsweg erhebliche Kosten aufbringen, die leicht sein Arbeitseinkommen übersteigen können. Der Mittäter muss lediglich die Geldstrafe zahlen. Wäre sie wegen des fehlenden Fahrverbots zu erhöhen? Oder ist die Geldstrafe des Autofahrers wegen des Fahrverbots mildern? Gibt es einen Umrechnungskurs zwischen Fahrverbot und Geldstrafe?
Selbstverständlich wird das generelle Fahrverbot die Betroffenen – genau – treffen, das wird jeder Verkehrsstrafrechtler bestätigen. Aber sollte man hierfür ein formal gerechtes Strafsystem beschädigen?
Sicherlich eine Möglichkeit, allerdings kann ich mir nicht vorstellen, das das vor der Wahl geschieht. Das Ergebnis wäre wohl vernichtend. Man kann ja über Rechtpsychologie in alle Richtungen diskutieren, doch geht dieser Vorschlag in meinen Augen zu weit. Allerdings wäre es interessant zu erfahren, was man anstellen müsste, um als Gegenleistung ein Monat Fahrverbot zu erhalten. Reicht da eine Beleidigung aus, oder muß man einer alten Frau eine Handtasche klauen
Den Ausführungen kann ich mich nur anschließen. Die Einführung eines drohenden Fahrverbots für alle Straftäter zeigt eine Entwicklung zu einem „Rachestrafrecht“ bzw. „Denkzettelstrafrecht“ auf.