Wann wird ein Pflichtverteidiger beigeordnet und wie kann dieser gewechselt werden: Zerstörung des Vertrauensverhältnisses

Für eine angemessene Verteidigung vor Gericht ist ein Anwalt von großer Bedeutung. In einigen Fällen wird dem Beschuldigten sogar ein sogenannter Pflichtverteidiger beigeordnet. Das ist in Fällen der notwendigen Verteidigung der Fall, in denen der Beschuldigte selber noch keinen selbst gewählten Verteidiger bei der Seite hat. Die Fälle der notwendigen Verteidigung sind im § 140 Strafprozessordnung (StPO) geregelt. Der Fall der notwendigen Verteidigung tritt demnach unter anderem ein, wenn dem Beschuldigten ein Verbrechen zur Last gelegt wird oder wenn zu erwarten ist, dass die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Oberlandesgericht, dem Landgericht oder dem Schöffengericht stattfindet. Bevor dem Beschuldigten ein Pflichtverteidiger beigeordnet wird, hat er jedoch vorher die Möglichkeit, sich innerhalb einer Frist einen Pflichtverteidiger seiner Wahl zu suchen.

Wann der Pflichtverteidiger gewechselt werden kann, unterscheidet sich nach der Art des Verteidigerwechsels. Neben der Option von einem Pflichtverteidiger zu einem Wahlverteidiger zu wechseln, den der Beschuldigte dann aber auch selbst bezahlen muss, regelt der § 143a Abs. 2 StPO weitere Fälle, in denen ein Pflichtverteidigerwechsel möglich ist. Eine dieser Möglichkeiten normiert Abs. 2 Nr. 3, nach dem der Pflichtverteidiger gewechselt werden kann, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen dem Anwalt und dem Beschuldigten endgültig zerstört ist oder aus sonstigem Grund keine angemessene Verteidigung gewährleistet ist.

Mit dieser Option des Verteidigerwechsels sowie mit dem konsensualen Verteidigerwechsel hat sich der Bundesgerichtshof (StB 49/23) in seinem Beschluss vom 10. August 2023 beschäftigt. Dem Angeschuldigten wird unter anderem vorgeworfen, sich an einer kriminellen Vereinigung beteiligt zu haben. Der Antrag des Angeschuldigten, seinen Pflichtverteidiger zu wechseln, wurde abgelehnt. 

Dagegen legte er Beschwerde ein und führte dafür aus, dass es hier keiner Zustimmung des Verteidigers benötige und außerdem das Vertrauensverhältnis zerstört sei, da der Rechtsanwalt den Angeschuldigten seit über einem Dreiviertel Jahr nicht in der Untersuchungshaft besucht habe und ohne einen ersichtlichen Grund den Verteidigerwechsel verweigert. Daneben soll er ohne Rücksprache mit dem Angeschuldigten eigene Ermittlungen durchgeführt haben. Das solle dazu führen, dass auch ein Verteidigerwechsel wegen endgültiger Zerstörung des Vertrauensverhältnisses nach § 143a Abs. 2 Nr. 3 StPO möglich ist. 

Der Bundesgerichtshof führt zunächst aus, dass für einen konsensualen Verteidigerwechsel auch in diesem Fall die Zustimmung des Rechtsanwalts benötigt wird. Voraussetzung für den konsensualen Verteidigerwechsel sind das Einverständnis des bisherigen Verteidigers sowie des neuen Rechtsanwalts. Obendrein darf es zu keiner Verfahrensverzögerung und keiner Mehrbelastung für die Staatskasse kommen. 

Zuletzt liegt im vorliegenden Fall nach Ansicht des Bundesgerichtshofes auch keine endgültige Zerstörung des Vertrauensverhältnisses nach §143 Abs. 2 Nr. 3 StPO vor, die einen Verteidigerwechsel ohne Zustimmung des Pflichtverteidigers begründen würde. Die vom Angeschuldigten genannten Gründe reichen demnach nicht aus, um eine Zerstörung des Vertrauensverhältnisses festzustellen.

Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Strafverteidiger aus Berlin-Kreuzberg

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