Warum das Beobachten einer Körperverletzung nicht immer eine strafbare Beihilfe ist
Vor dem Landgericht Berlin mussten sich im letzten Jahr die Eltern eines behinderten Kindes verantworten, weil sie ihr Kind zu heiß gebadet und ihm dadurch Verbrennungen zugeführt haben sollen. Das Landgericht Berlin sah das Geschehen als erwiesen an und verurteilte die Angeklagten Eltern jeweils wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten. Die Strafen setzte es zur Bewährung aus.
Die Angeklagten haben gegen das Urteil Revision eingelegt, über die der Bundesgerichtshof kürzlich entschieden hat. Mit Beschluss vom 5. Juni 2019 – 5 StR 181/19 hob der BGH das Urteil des Landgerichts wegen Rechtsfehlern vollumfänglich auf.
Das Landgericht hatte in der Hauptverhandlung nicht feststellen können, welcher der Angeklagten das Kind in das heiße Wasser gesetzt, wie lange sich das Kind darin befunden hatte und wie heiß genau das Wasser gewesen war. Zugunsten der Angeklagten hatte das Landgericht zugrunde gelegt, dass die Temperatur des Wassers zuvor nicht geprüft worden war. Ferner konnte die Motivation der Angeklagten für ihr Handeln nicht geklärt werden.
Der BGH konnte den Feststellungen des Landgerichts kein mittäterschaftliches Handeln des womöglich untätig gebliebenen Angeklagten entnehmen.
Denn nach den Feststellungen des Landgerichts ist es möglich, dass einer der Angeklagten das Wasser einließ und das Kind in die mit heißem Wasser gefüllte Duschwanne setzte, während der andere Angeklagte sich nur für etwaige Unterstützungshandlungen beim Baden bereithielt, ohne selbst tätig zu werden. Allein in dem Beobachten des Vorgehens durch den passiv gebliebenen Angeklagten vermochte der BGH zu Recht keine Mittäterschaft zu sehen. Denn die Untätigkeit und das Billigen einer Straftat begründen keinen gemeinsam gefassten Tatentschluss.
Auch eine Strafbarkeit wegen gefährlicher Körperverletzung durch Unterlassen verneinte der BGH. Denn diese hätte vorausgesetzt, dass dem womöglich passiv gebliebenen Angeklagten ein Eingreifen möglich gewesen wäre. Dazu fanden sich allerdings keine ausreichenden Feststellungen in dem Urteil des Landgerichts.
Zu einer grundsätzlich denkbaren Beihilfe führte der BGH aus, dass diese in einer erneuten Hauptverhandlung genau festgestellt und begründet werden müsste. Denn allein das Billigen einer Straftat reicht für eine Beihilfe nicht aus. Es bedarf nach der ständigen Rechtsprechung des BGH vielmehr eines Beitrages, der die Tat objektiv fördert und erleichtert.
Es bleibt demnach abzuwarten, wie das Landgericht Berlin bei der nächsten Verhandlung über den Fall entscheiden wird und ob die Verurteilung dann einer erneuten Überprüfung standhalten würde.