Wenn die Eifersucht überhandnimmt
Wann ist man schuldunfähig und kann für die begangene Straftat nicht belangt werden? Nach dem § 20 StGB handelt ohne Schuld, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln. Dabei wird viel Raum für Interpretation gelassen, was oftmals zu Problem führen kann.
Im hiesigen Fall vom 18. Mai 2022 musste sich der Bundesgerichtshof (6 StR 470/21) mit dem „Eifersuchtswahn“ beschäftigen. Der Angeklagte hatte die überwertige wahnhafte Idee entwickelt, dass eine Ehefrau ein Verhältnis mit dem Nebenkläger habe. Das führte zu mehreren gewalttätigen Handlungen sowie Drohungen gegen den Nebenkläger.
An einem Vormittag fuhr der Angeklagte dann mit einem Messer bewaffnet zur Wohnung des Nebenklägers, fuhr daraufhin jedoch wieder weg. Der Nebenkläger folgte ihm mit einem Auto und es kam an einer Ampel zu einer Auseinandersetzung. In Folge dieser stach der Angeklagte dem Nebenkläger mit dem Messer in den Bauch, wobei ihm bewusst war, dass die Handlung eine lebensgefährliche oder gar tödliche Verletzung verursachen konnte. Der Nebenkläger wurde auf Grund der Verletzung 7 Tage stationär behandelt.
Das Schwurgericht nahm an, dass dies zwar einen versuchten Totschlag darstellt, sprach ihn aber frei, da seine Steuerungsfähigkeit bei der Tat womöglich vollständig aufgehoben gewesen sei.
Die anschließende Revision des Nebenklägers hatte Erfolg. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofes hält die Schuldfähigkeitsprüfung rechtlicher Überprüfung in mehrfacher Hinsicht nicht stand. Demnach sei es zu keiner umfassenden Erörterung und Würdigung der Befundtatsachen gekommen. Bereits der diagnostizierte „akute Eifersuchtswahn“ ist nicht hinreichend belegt sowie dass der Angeklagte grundlos von dem Verhältnis zwischen seiner Ehefrau und dem Nebenkläger überzeugt war.
Zum anderen ergibt sich aus dem Urteil nicht, ob der angenommene Eifersuchtswahn einer „wahnhaften psychotischen Störung“ der krankhaften seelischen Störung oder der schweren anderen seelischen Störung angehört, was jedoch nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht offenbleiben darf.
Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Strafverteidiger aus Berlin-Kreuzberg