Zum Haftgrund der Wiederholungsgefahr beim Vorwurf des gewerbsmäßigen Ladendiebstahls
Haftgründe spielen sowohl in der Examensklausur als auch in der Praxis der Strafverteidigung eine große Rolle. Unangefochtener Spitzenreiter ist der Haftgrund der Fluchtgefahr. Umso schöner ist es, dass wir zur Abwechslung über eine aktuelle Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Saarbrücken berichten können, in welchem sich das Gericht ausführlich mit dem Haftgrund der Wiederholungsgefahr und seinen Voraussetzungen befasst. Auch die Anlasstat könnte nicht praxisrelevanter sein. Denn in der Entscheidung geht es um den Erlass eines Haftbefehls bei dem Vorwurf des gewerbsmäßigen Diebstahl in einem Kaufhaus.
Was war passiert?
Dem Betroffenen wurde ein gewerbsmäßiger Diebstahl zur Last gelegt. Ihm wurde vorgeworfen, in einem Kaufhaus zwei Lederjacken im Wert von 318,00 € gestohlen zu haben. Da er zuvor bereits wegen gewerbsmäßigen Diebstahls zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt worden war, erließ das Amtsgericht einen Haftbefehl wegen Wiederholungsgefahr.
Nachdem die Beschwerde gegen den Haftbefehl keinen Erfolg brachte, hob das OLG den Haftbefehl auf die weitere Beschwerde des Betroffenen mit Beschluss vom 16. Oktober 2018 – 1 Ws 206/18 auf. Das OLG stellte fest, dass der Haftgrund der Wiederholungsgefahr nicht gegeben war.
Voraussetzungen der Wiederholunsgefahr
Der Haftgrund der Wiederholungsgefahr setzt voraus, dass der Beschuldigte dringend verdächtig ist, wiederholt oder fortgesetzt eine Katalogtat des § 112a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StPO begangen zu haben. Zudem muss durch die Tat die Rechtsordnung schwerwiegend beeinträchtigt worden und eine Straferwartung von mehr als einem Jahr Freiheitsstrafe zu befürchten sein.
Zwar war der Beschuldigte in dem vom OLG zu verhandelnden Fall des gewerbsmäßigen Diebstahls dringend verdächtig. Nach Ansicht des OLG handelte e sich bei dem Vorwurf aber nicht um eine Straftat, die die Rechtsordnung schwerwiegend beeinträchtigt.
Schwerwiegende Beeinträchtigung der Rechtsordnung
Für das Merkmal der schwerwiegenden Beeinträchtigung der Rechtsordnung dürfen nach der Rechtsprechung nur Taten mit einem überdurchschnittlichen Schweregrad herangezogen werden können. Die Anlasstat muss dabei mindestens in der oberen Hälfte der mittelschweren Straftaten liegen. Bestimmt wird die Schwere der Tat insbesondere nach ihrem Unrechtsgehalt sowie Art und Umfang des angerichteten Schadens. Wichtig ist zudem, dass jede einzelne Tat einen bestimmten Schweregrad erreichen muss und die Beeinträchtigung der Rechtsordnung nicht aus einer Gesamtschau aller Taten hergeleitet werden darf.
Das OLG sah in der dem Beschuldigten vorgeworfenen Tat keine die Rechtsordnung schwerwiegend beeinträchtigende Straftat. Vielmehr ordnete es die Tat lediglich der mittleren Kriminalität zu, da sie sich nicht von sonstigen Fällen der Kaufhausdiebstähle abgehoben habe. Zudem sprach der Umstand, dass der Beschuldigte die Tat kurz nach seiner Entlassung aus der Strafhaft begangen haben soll, für das OLG nicht für einen besonderen Unrechtsgehalt der Tat. Nicht unberücksichtigt ließ das OLG zudem, dass sich der Wert des Diebesgutes lediglich auf 318,00 € belief und für einen Kaufhausdiebstahl somit nicht außergewöhnlich hoch war.
Das OLG hat mit seiner Entscheidung bewiesen, dass es die Voraussetzungen der Wiederholungsgefahr ernst nimmt und nicht nur das Vorliegen einer Katalogtat ausreichen lässt. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass es sich bei der Sicherungshaft nach § 112a StPO um eine präventive Maßnahme zur Vorbeugung weiterer Straftaten handelt, ist diese sorgfältige Auseinandersetzung mit dem Haftgrund in jedem Fall wünschenswert.
Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Fachanwalt für Strafrecht aus Berlin
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